Spitzermühle - KulturAS, wo Kultur und Bergbau aufeinandertreffen

2024/2025
wo Kultur und Bergbau aufeinandertreffen
Sulzbach-Rosenberg/Feuerhof
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Sulzbach-Rosenberg > Wirtshausgeschichten

Wirtshausgeschichten 

Klenzeschacht
Erika Rauh, Erinnerungen an die Spitzermühle Sulzbach-Rosenberg von 1953 bis 1956:

Sulzbach-Rosenberg-Hütte ca. 1950 – Oben das Kriegerdenkmal, unten die kath. Kirche. Die Spitzermühle, ca. 1948 /1950, bevor das rechte Nebengebäude für die Gastwirts-Familie ausgebaut wurde. Links in dem Nebengebäude zum 1. OG führte eine Holztreppe zu einer Wohnung, unten waren der Schweinestall und Gerätschaften, ebenso das Plumpsklo für Gäste und Bewohner. Hinter der Spitzermühle eine schöne alte Eiche, links neben dem Gebäude ein Brunnen, gespeist von klarem Quellwasser – für die Nebengebäude die einzige Trinkwasserversorgung. Über der Gaststätte rechts lebte die Familie Stengel. Ihr Sohn Dieter war im Alter meines Bruders, ca. 5 Jahre alt. Im 1. OG rechts wohnte Familie Grundmann mit Sohn Heinz. Hinter dem Nebengebäude war eine Schlosserei. Dworaczek, dort wurden Loren für das Eisenerz geschmiedet und repariert.

Besuch ca. 1954 von der Schwägerin meines Stiefvaters und Gastwirts Franz Schiel. Von rechts: Meine Schwester Ursl, Franz Schiel, Erika (die Autorin), unsere Mutter, die Wirtin Gusti Schiel,Tante Hilde und mein Bruder Franz. Mein Stiefvater wurde mit seinen fünf Geschwistern aus Breslau vertrieben, seine Eltern verloren eine große Brauerei, einen Gasthof mit Fremdenzimmern und mehrere Anwesen. Franz Schiel heiratete ca. 1946 seine Frau Helene, sie bekamen drei Kinder, zwei Mädchen starben sehr früh. 1951 starb auch seine Frau Helene. Franz Schiel fand mit seinem kleinen Sohn Franz meine Mutter, die Kriegerwitwe Gusti.1953 heirateten die beiden und meine Mutter, Ursl und ich zogen von Baden-Württemberg nach Sulzbach-Rosenberg-Hütte in die „Spitz“.
                   
Hier saßen die Wirtsleute Franz und Gusti Schiel oberhalb der Spitzermühle gerne, direkt am Wald mit seinen großen Buchen und hohen Felsen - ein wunderschöner Biergarten. Es gab auch ein Podium für Musikanten oder auch zum Tanzen. Leider war für solche schönen Momente nicht viel Zeit, denn die Kochkünste von Wirt Franz Schiel sprachen sich im Eisenwerk Maxhütte schnell herum. Es kamen immer mehr Ingenieure und manchmal auch Doktores und Direktoren. Ich erinnere mich an einen Elektro-Ingenieur, der zum Essen seinen schwarzen Pudel mitbrachte, der auf dem Stuhl sitzen durfte und mit Herrchen aus einem eigenen Teller aß.

Wir Kinder hatten im Winter viel Spaß, denn damals gab es noch reichlich Schnee. Von ganzoben neben den Felsen konnte man herrlich mit den Schlitten hinunter fahren. Ich erinnere mich an den roten Rauch und die Funken, die aus den großen Kaminen des Werkes quollen. Es roch an manchen Tagen nicht gut, aber wir hatten unseren Wald und wussten noch nichts von schädlichen Abgasen. Auf dem Foto sitzt vorne ein unbekanntes Mädchen, danach mein Bruder Franz, dahinter Dieter Stengel und ich (Erika). Daneben sieht man einen Tennisplatz. Im Fasching hatten wir uns verkleidet, es lag oft viel Schnee und wir hatten viel Spaß.






Von rechts: Marga van de Veire (sie lebte mit ihrem Vater in einer nahen Holzbaracke), dann die Tochter von Familie Stengel, evtl. Dieter Stengel, ein unbekanntes Kind, mein Bruder Franz (er war gerne Cowboy) und Harald Koller.


                  

Spitzermühle ca. 1949/1950

In den Wintern war es in unserer Wohnung rechts im Nebenhaus bitter kalt. Es gab keine Heizung, nur im Wohnzimmer einen Ofen, den wir Kinder oft anschüren und betreuen mussten. Im Eingangsbereich stand eine Kommode mit Waschschüssel, drei Stufen und links ein kleiner Keller. Im 1. OG befanden sich das Eltern-Schlafzimmer, Kinderzimmer und ein weiteres kleines Zimmer. Die Fenster waren einfach verglast, der Winter zauberte wunderschöne Eisblumen. Die beiden Fenster waren vergittert, unten floss der Spitzerbach. Unser Zimmer wärmte ein neuartiger Ofen, eine Messeneuheit: er sah aus wie eine große Vase, saugte unten die kalte Luft an, und blies sie oben wieder warm heraus. Wir stiegen immer in klamme Betten mit Wärmeflaschen.


Eine sehr alte Aufnahme: Das Eisenwerk vom Kriegerdenkmal aus gesehen

Da mein Vater seiner Heimat Schlesien sehr verbunden war, hat er immer wieder Schlesier-Treffen organisiert. Viele Flüchtlinge lebten in den ca. fünf Baracken in unmittelbarer Nähe der Spitzermühle. Wir hatten mit den Kindern Kontakt und spielten in nahen Wald und auf dem Wäscheplatz. Da lebte auch eine liebe alte Dame, eine Schlesierin – Frau Käbberich -. Ich war gerne bei ihr, weil ich ihren kleinen Dackel „Putzi“ so gerne mochte. Wir Kinder mussten in die Wälder, um „Putzelkühe“ in großen Säcken zu sammeln, die dann zum Grillen der Bratwürste verwendet wurden. Es wurden alte Heimatlieder gesungen, viel erzählt und auch wieder gelacht.

Mein Stiefvater, der Wirt Franz Schiel, war ein  geselliger Mann, er spielte schön Akkordeon und die Leute sangen dazu ihre alten vertrauten Lieder. Er war ein Lebenskünstler, ein froher und zuversichtlicher Mensch, den die Leute mochten. Auch meine Mutter, eine Linzerin, kam bei den Gästen mit ihrem österreichischen Charme gut an. Die gute Küche von Franz Schiel, der gerne auch schlesische Gerichte – besonders den bekannten Streußelkuchen – servierte, war sehr beliebt. Das Bier kam von der Brauerei Kummert aus Schlicht. Damals hatte man noch keine Kühlschränke, die Brauereiburschen brachten große Eisblöcke mit, die in einen Schrank unter der Theke lange kühlten.
Franz Schiel war von Anfang an Mitglied des Männergesangvereins von Su-Rosenberg-Hütte. Die Sänger kamen gerne und probten regelmäßig im Gastzimmer. Dieses war sehr gemütlich eingerichtet. Es wurde viel gesungen, gelacht und getrunken.
Direkt an der Spitzermühle floss der Spitzerbach – ein Teil des Rosenbaches. Leider war das Mühlrad schon abgebaut, aber man hörte immer das Rauschen des Wassers. Auf dem Bach sind wir mal mit dem hölzernen Schweinetrog gepaddelt und haben am Ufer gespielt.

Und so fanden wir die Spitzermühle im Sommer 2015 vor.

Das Haus innen völlig verwüstet, ein Bild des Jammers! Obwohl sie unter Denkmalschutz steht, hat man sie verfallen lassen. Sie diente einige Jahren Jugendgruppen als Ort ihrer Zusammenkünfte. Doch leider haben sie und viele andere Unbekannte die Räume völlig zerstört. Wind und Wetter taten das Übrige. Für uns war‘s ein trauriger Anblick. Wir haben alle Gebäude außen und innen fotografiert und dokumentiert, sind in alle Räume gegangen und nahmen Abschied.



Dies sind meine Erinnerungen an eine Kindheit in der Spitzermühle, mit Eltern, Geschwistern, Freunden, an Abenteuerspiele im nahen Wald und am Bach, an das Schweine hüten unter alten Eichen, am Erkunden der Dachböden der alten Spitz mit ihren „Schätzen“. Wir Kinder hatten natürlich auch Pflichten und wurden streng erzogen. Gottseidank waren die Eltern sehr beschäftigt und so konnten wir Kinder immer wieder „ausbüxen“.






Das war einmal die Wohnung Familie Grundmann im 1. Stock.

Das Dach der Spitzermühle im Sommer 2015
Wenn durch ein Dach Regen tritt, dann ist ein Gebäude nicht mehr zu retten. So hat man auch das Dach der Spitzermühle dem Wetter und Verfall preis gegeben. Meine Anfrage bei der Stadt Sulzbach brachte leider keine befriedigende Antwort. Ich schenkte der Stadt 2014 eine DVD mit meinen ca. 100 Bildern zweier Foto-Exkursionen durch das gesamte Eisenwerk vor seinem Abbruch.  

Foto Erika Rauh im April 2015 -  Hochofen


Bilder und Text: Erika Rauh, im April 2022

Es enstand ca. 1955: Oben von links nach rechts:
Erika Rauh, geb. Gärttner (die Autorin) und Schwester Ursl
(Stiefkinder von Franz Schiel) und Harald Koller,
vorne links Dieter Stengel und daneben Franz Schiel jun.
Soweit ich weiß, gehörte die Spitzermühle damals der Familie Stengel.
Spitzermühle in Rosenberg – kurze Historie:

Die Spitzermühle befindet sich gegenüber dem Haupttor der Maxhütte (auf der anderen Seite der Erzhausstraße) leicht im Wald versetzt; am Spitzermühlweg Haus 4 (heute Erzhausstraße 2).

Nach einem Brand wurde sie im Jahre 1786 neu erbaut; höchstwahrscheinlich von der Familie Stengel selbst. Diese Familie stand im engen verwandtschaftlichen Verhältnis zur Familie Strobel aus Breitenbrunn. Sie sind noch heute Eigentümer der Felsenmühle, auch als Strobelmühle bekannt, welche sich im Stadtteil Breitenbrunn von (Sulzbach-) Rosenberg befindet. Um 1850 war Johann Stengel der Mühlenbesitzer auf der „Spitz“.

1852 heiratete Johann Stengel, eine Anna Margarethe Flierl. Aus dieser Ehe ging die Tochter Kunigunde Stengel hervor. Diese heiratete (um) 1900 den Müller Johann Jakob Strobel aus Breitenbrunn. Beide erwarben in Rosenberg dann die Pirnermühle, welche heute noch existiert. Aus diesem Familienzweig geht die heutige Bäckerei Strobel hervor, welche sich direkt neben der Pirnermühle befindet. Von 1900 bis circa 1970 wurde die Pirnermühle mittels des Mahllohns betrieben (Bauern brachten Getreide zum Vermahlen und holten das Mehl anschließend wieder ab). Brot wurde dort ab etwa 1930 gebacken und verkauft.

Zur gleichen Zeit um 1900 kaufte die Familie Stengel (Johann und Babette) die spätere Bäckerei Doreth in Rosenberg vom Vorbesitzer Kaspar Zahn, welche heute als Bäckerei und Café Fischer bekannt ist. Babette Stengel heiratete am 1. Januar 1919 den Bäckermeister Karl Doreth. 1980 wiederum erwarb der Bäckermeister Alfred Fischer den Betrieb; er war bereits unter dem Vorgänger Max Lechner, der die Doreth-Tochter Gunda geheiratet hatte, als Geselle dort tätig.

Etwa um 1873 beantragte Johann Stengel eine Genehmigung für eine Gastwirtschaft auf dem Mühlenanwesen der Spitzermühle. Dies wurde ihm letztendlich von der Verwaltung in Amberg genehmigt. Neben der Gaststube gab es auch eine Kegelbahn und sogar einen Tennisplatz. Sein Sohn Johann Georg Stengel (geboren 1880; 1943 verstorben) leitete die Gastwirtschaft von 1897 bis 1936. Danach war Johann Georg Wolf der Pächter des Gasthofes bis 1950. Von 1950 bis 1956 übernahm Franz Schiel das Anwesen als Pächter und Betreiber der Gaststätte. Nachdem Franz Schiel von der Maxhütte in Haidhof als Katinenwirt abgeworben wurde, übernahm 1956 die Maxhütte in Rosenberg das gesamte Anwesen. Dort fanden dann Tagungen der Gewerkschaft und Veranstaltungen der Gewerkschaftsjugend statt.

Übrigens, 1893 gründete eine kleine Schar von Sportschützen in der damaligen eigenen Gemeinde Rosenberg ihren Schützenverein in der Spitzermühle. Die Gründung erfolgte vor allem durch den Obermeister Hans Wiedmann, Malermeister Andreas Zacherl sowie Johann Sechser. Die Spitzermühle wurde das Vereinslokal der Sportschützen bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges in 1914. Nach dem Krieg wechselte man das Vereinslokal und residierte im Café Kern.

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