Ehemaliger Maxhütten-Arbeitsdirektor Manfred Leiss
"Bergbau, Maxhütte, Sozialgeschichte"
Der Bierstreik in
der Maxhütte 1960
Überschäumende Maßkrüge
Als
der Generaldirektor der Maxhütte Odilo Burkart am 2. März 1960 den
Bierkonsum im Werk auf 0,5 Liter pro Belegschaftsmitglied und Schicht
beschränkte und den Bierverkauf auf dem Werksgelände ganz verbot,
entfachte er einen ungeahnten Sturm der Entrüstung: Binnen weniger
Stunden trat die gesamte Arbeiterschaft der betroffenen Werke Sulzbach, Rosenberg
und Haidhof in Streik, ohne Absegnung durch den Betriebsrat. Erst zwei
Tage später wurde unter Vermittlung des bayerischen Arbeitsministers
Stain eine Einigung erzielt und der Betrieb wieder aufgenommen.
Anlass
für das Bierverbot waren die teilweise beachtlichen Mengen an
Biergenuss in Verbindung mit den hohen Unfallzahlen gewesen. Im Werk
Rosenberg betrug der durchschnittliche monatliche Bierkonsum pro Mann 17
Liter, in Haidhof mit 33 Litern fast das Doppelte.
Die
Gegenargumente der Arbeiter, unter anderem sie seien aufgrund der
schweren Tätigkeit auf die im Bier enthaltenen Nährstoffe angewiesen,
wurden abgewiesen. Ein weiterer Grund für den wilden Streik war neben
dem Bier aber vermutlich auch das unsensible Vorgehen des Vorstandes.
Die
Arbeiter sahen in dem Bierverbot einen Einbruch in den Lebensstil
bayerischer Biertrinker, insbesondere der Arbeiter. Keine andere
Entscheidung des Vorstandes hatte in der Geschichte der Maxhütte nach
dem Krieg die Belegschaft in vergleichbarer Weise elektrisiert. Offenbar
war hier ein wunder Punkt getroffen, der so sehr in den Bereich der
Arbeitsidentität eingriff, dass die sonst disziplinierte und
gewerkschaftlich geschlossene Belegschaft zu dem
Instrument des „wilden Streiks“ griff und nicht darauf vertrauen
wollte, bis der Betriebsrat die Angelegenheit zufriedenstellend zu ihren
Gunsten entschieden hatte.
Der
schließlich in einem Schiedsspruch ausgehandelte „Kompromiss“ blieb bei
einer Flasche pro Mann, allerdings mit einer Übergangsfrist bis 1. März
1961.
Trotz der alkoholfreien Alternativen – kostenloser Tee
und Kaffee, verbilligte Getränke – taten sich die Arbeiter offenbar
schwer, sich von ihren alten (Trink) Gewohnheiten zu trennen, wie
zahlreiche Rundschreiben und Appelle der Werksleitung zeigen.
Sogar in der überregionalen Presse hatte dieser einzigartige Bierstreik Beachtung gefunden, unter anderem in einem ganzseitigen Artikel im Magazin „Spiegel“.
Allerdings stießen das Verhalten der Maxhütterer und die bayerische Biertradition im restlichen Deutschland nicht unbedingt auf Verständnis.
Quelle: Bergstadtbote Oktober 2010
Manfred Leiss: Der Bierstreik in der Maxhütte 1960
Bd. 26: 2010. 36 S., broschiert, 25 Abbildungen.
Sulzbach-Rosenberg 2010.
ISBN: 978-3-9807612-9-1;
erhältlich im Stadtmuseum