Bierstreik - KulturAS, wo Kultur und Bergbau aufeinandertreffen

2024/2025
wo Kultur und Bergbau aufeinandertreffen
Sulzbach-Rosenberg/Feuerhof
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Klenzeschacht
Ehemaliger Maxhütten-Arbeitsdirektor Manfred Leiss
"Bergbau, Maxhütte, Sozialgeschichte"
Der Bierstreik in
der Maxhütte 1960

Überschäumende Maßkrüge

Als der Generaldirektor der Maxhütte Odilo Burkart am 2. März 1960 den Bierkonsum im Werk auf 0,5 Liter pro Belegschaftsmitglied und Schicht beschränkte und den Bierverkauf auf dem Werksgelände ganz verbot, entfachte er einen ungeahnten Sturm der Entrüstung: Binnen weniger Stunden trat die gesamte Arbeiterschaft der betroffenen Werke Sulzbach, Rosenberg und Haidhof in Streik, ohne Absegnung durch den Betriebsrat. Erst zwei Tage später wurde unter Vermittlung des bayerischen Arbeitsministers Stain eine Einigung erzielt und der Betrieb wieder aufgenommen.

Anlass für das Bierverbot waren die teilweise beachtlichen Mengen an Biergenuss in Verbindung mit den hohen Unfallzahlen gewesen. Im Werk Rosenberg betrug der durchschnittliche monatliche Bierkonsum pro Mann 17 Liter, in Haidhof mit 33 Litern fast das Doppelte.
Die Gegenargumente der Arbeiter, unter anderem sie seien aufgrund der schweren Tätigkeit auf die im Bier enthaltenen Nährstoffe angewiesen, wurden abgewiesen. Ein weiterer Grund für den wilden Streik war neben dem Bier aber vermutlich auch das unsensible Vorgehen des Vorstandes.
Die Arbeiter sahen in dem Bierverbot einen Einbruch in den Lebensstil bayerischer Biertrinker, insbesondere der Arbeiter. Keine andere Entscheidung des Vorstandes hatte in der Geschichte der Maxhütte nach dem Krieg die Belegschaft in vergleichbarer Weise elektrisiert. Offenbar war hier ein wunder Punkt getroffen, der so sehr in den Bereich der Arbeitsidentität eingriff, dass die sonst disziplinierte und gewerkschaftlich geschlossene Belegschaft zu dem Instrument des „wilden Streiks“ griff und nicht darauf vertrauen wollte, bis der Betriebsrat die Angelegenheit zufriedenstellend zu ihren Gunsten entschieden hatte.

Der schließlich in einem Schiedsspruch ausgehandelte „Kompromiss“ blieb bei einer Flasche pro Mann, allerdings mit einer Übergangsfrist bis 1. März 1961.
Trotz der alkoholfreien Alternativen – kostenloser Tee und Kaffee, verbilligte Getränke – taten sich die Arbeiter offenbar schwer, sich von ihren alten (Trink) Gewohnheiten zu trennen, wie zahlreiche Rundschreiben und Appelle der Werksleitung zeigen.

Sogar in der überregionalen Presse hatte dieser einzigartige Bierstreik Beachtung gefunden, unter anderem in einem ganzseitigen Artikel im Magazin „Spiegel“.
Allerdings stießen das Verhalten der Maxhütterer und die bayerische Biertradition im restlichen Deutschland nicht unbedingt auf Verständnis.

Quelle: Bergstadtbote Oktober 2010

Manfred Leiss: Der Bierstreik in der Maxhütte 1960
Bd. 26: 2010. 36 S., broschiert, 25 Abbildungen.
Sulzbach-Rosenberg 2010.
ISBN: 978-3-9807612-9-1;
erhältlich im Stadtmuseum
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