Christbaumdiebstahl erzählt von Helmut Heinl - KulturAS, wo Kultur und Bergbau aufeinandertreffen

2024/2025
wo Kultur und Bergbau aufeinandertreffen
Sulzbach-Rosenberg/Feuerhof
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Helmut Heinl Autorenseite
"Leben in der Bergmannssiedlung"
Der Christbaumdiebstahl
von Helmut Heinl

In der Oberpfalz, auf dem Land, war es vielerorts üblich, dass man seinen Christbaum nicht kaufte, sondern aus dem Wald holte. Von stehlen mochte da gar keiner reden. Meist geschah das kurz vor dem Heiligen Abend, damit die Nadeln nicht so trocken waren, wenn man die Kerzen anzündete, denn die gab damals nur aus Wachs. Ideal war die Zeit zwischen 7:00 und 9:00 an einem nebligen Abend. Das war auch den Flurwächtern bekannt, die es um die Zeit des Ersten Weltkrieges, bis in die sechziger Jahre hinein gab. Der letzte, den ich kannte, war der Feldbauer vom Kugelfang.

Der Fritz, der in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts am Klenzeschacht als Seilbahnjunge arbeitete, hielt sich auch an den Brauch. Zuhause herrschten ärmliche Verhältnisse. An den Kauf eines Christbaums war nicht zu denken. Er holte sich den Baum alle Jahre aus dem Wald der Maxhütte im Bruchfeld. Der Maxhütte besaß ja im Sulzbacher Raum eine ganze Menge Grund, darunter besonders viel Wald in den Mutungsgebieten, oder in den Bruchgebieten, wie bei uns am Feuerhof.

Darum war bei den meisten Familien selbstverständlich, dass man sich den Weihnachtsbaum dort holte – keine Nordmanntanne oder dergleichen; einfach eine gleichmäßig gewachsene Fichte.

Einmal allerdings hat den Fritz der Flurwächter erwischt. Das heißt nicht ganz, er hat ihn nur gesehen, aber nicht festhalten können. Den steilen Hang in den Bruchfeldern, den der Fritz in Windeseile hinauf rannte, schaffte er nicht, weil ihm die Luft ausging. Aber am nächsten Morgen ist er gleich zu der Mutter vom Fritz, die er vom Bergknappenverein her kannte. Der verstorbene Großvater des Fritz, war lange Jahre Vorstand des Bergknappenvereins gewesen. Deshalb wollte er die Frau nicht gleich anzeigen, sagte er, sondern die Sache noch einmal nachprüfen, bevor er sie dem Bergwerkschef Hammacher melden würde. Und so erzählt er ihr, mit wichtiger Amtsmiene, er habe da einen dringenden Verdacht. Und zwar habe er ihren Fritz beim Christbaum Stehlen erwischt, oder besser gesehen, gestern Nacht.

Die alte Frau, von Fritz bereits informiert, tat ganz entrüstet. Wie könne der Flurwächter so einen unverschämten Verdacht aussprechen. Ihr Fritz sei gestern Abend die ganze Zeit zu Hause gewesen und überhaupt hätten sie heuer den Baum aus der Fichtenhecke hinter dem Haus herausgeschnitten. Und wenn er es nicht glaube solle er sich ansehen, wo der Baum herausgesägt worden sei.
Sie führte ihn in den Garten, zeigte ihm einen Baumstumpf, wo noch die Sägespäne herum lagen. Dann zog sie ihn noch ins Haus und zeigte ihm den Baum und den Stamm-Durchmesser, der genau auf den Stumpf passte.

Dem Flurwächter war das plötzlich "sau-z´wider". Er entschuldigte sich hundertmal, redete von Täuschung und Finsternis und bat, doch ja nichts davon zu erzählen. Er habe sich einfach täuschen lassen, weil die Figur des Christbaumdiebes so ähnlich war, wie die vom Fritz. Nachdem er noch ein paarmal "nichts für ungut" gebeten hatte, verließ er geknickt das Haus.

Fritz dagegen rieb sich die Hände. Seine List hatte gewirkt. Er hatte nämlich, nachdem er dem Flurwächter knapp entkommen war, ein Stück des Baumes abgesägt und unten zugespitzt. Im Garten hat er es in den Boden geschlagen und oben wieder ein kleines Stückchen abgesägt, damit man nicht merkte, dass das Holz in den Boden geschlagen war. Das Ergebnis sah aus wie ein echter Baumstumpf. Die Idee dazu hatte er natürlich vom Bergwerk mitgebracht, wo solche Schnurren immer wieder unter den Bergleuten kursierten.

Nachdem er aber nicht alle Jahre im Garten einen Baumstumpf haben konnte und ihm der Flurwächter womöglich doch noch auf die Schliche gekommen wäre, hat er die Christbaumbeschaffung tief in die Nacht verlegt und war nie mehr erwischt worden, bis er seinen „Sport“, wie er sagte, aus Altersgründen aufgegeben habe.

© Helmut Heinl


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