Franz Beckenbauer - KulturAS "Wir sind eins: Aus der Region - für die Region"

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"Leben in der Bergmannssiedlung"
Sulzbach-Rosenbergs „erster Bergmann“

Eine der prägenden Personen für den Sulzbacher Bergbau nach dem Krieg war Bergwerksdirektor Franz Beckenbauer (1898 - 1987). Er war vom Frühjahr 1952 bis zu seinem Ruhestand am 31.12.1966 über 15 Jahre lang der oberste  Bergmann unserer Stadt. Insgesamt verbrachte er fast ein halbes Jahrhundert (48 Jahre) seines Lebens mit dem oder im Bergbau. Dabei sammelte er umfangreiche Erfahrungen auf vielen Gebieten.



Franz Beckenbauer (links), letzte Grubenfahrt. Bild: ObSt. Ritter

Beckenbauer kam aus dem Kohlebergbau und hat am 7.April 1919 seine erste Schicht in Peißenberg verfahren. Aufgewachsen war er im Schulhaus von Thanstein, einem kleinen Ort hinter Neunburg v. Wald, mit fünf Geschwistern. Der ersten Gymnasiumsjahre verbrachte er bei den Benediktinern in Metten und wechselte dann an das Neue Gymnasium in Regensburg.
Bereits mit 18 Jahren wurde er 1916 zum Militär eingezogen und war bis zum Ende des Ersten Weltkriegs an der Westfront eingesetzt.

Diese Kriegsjahre haben ihn, nach seinen eigenen Worten, stark beeinflusst und als Menschen geformt. Er wurde, nach schwerer Verwundung, erneut als Frontoffizier eingesetzt und musste sich als junger Bataillonsadjutant in verantwortlicher Position bewähren.
Die Erkenntnis daraus bezeichnet er mit: „Keine Scheu, keine Angst vor Verantwortung“. Das war ihm auch Leitmotiv während seiner beruflichen Tätigkeit und beeinflusste, wie er meinte, den Wechsel vom „jugendlichen Nationalen“ zum sozial denkenden und handelnden Bergmann.

Nach einer Berg- und Hüttenmännischen Hochschulausbildung in München, Freiberg in Sachsen und Clausthal im Harz schloss er 1923 als Diplom-Bergingenieur der TH München ab. Die letzten beiden Studienorte gehören von jeher zu Traditionsstädten des deutschen Bergbaus. Nach zweijähriger Referendarzeit war er Bergassessor. Diese Bezeichnung tragen alle Bergingenieure mit Hochschulabschluss, die nicht in den Staatsdienst gehen. Diese Universitätsausbildung ist auch, im Gegensatz zur Steiger-Laufbahn, Voraussetzung für den Einstieg als Betriebsleiter (Bergwerksdirektor).
Ab 1926 wurde er Betriebsleiter im Kohlenbergwerk Peißenberg . Dort sollte er die Entwicklung zu einem modernen Bergwerksbetrieb steuern. Im Rahmen des Vierjahresplanes der Nationalsozialisten wechselte er 1937 in die Eisensteinzeche „Kleiner Johannes“ in Pegnitz. Dieses Bergwerk gehörte damals zu 50 % der Maxhütte und sollte zu deren Erzversorgung ausgebaut werden. Als Werksleiter konnte er bereits im Herbst 1938 den Ausbau von Förderung und Aufbereitung abschließen. Nach seinen Angaben war Pegnitz die erste Eisenerzgrube im Deutschen Reich, die eine Leistung von 5 t je Mann und Schicht über und unter Tage aufwies. Als das Bergwerk Ende 1938 von den Hermann-Göring-Werken Salzgitter übernommen wurde, wechselte Beckenbauer im Juli 1939 als zweiter Mann und nach kurzer Einarbeitung als erster Bergmann (Direktor) in den Salzgitter-Bergbau. Dieser Aufstieg gab ihm die Möglichkeit ein ganzes Bergbaurevier auszubauen.

Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde Beckenbauer für einige Monate an die damals noch ruhige Westfront (Zit. Beckenbauer) einberufen. Mit Kriegsbeginn war der Rohstoffbedarf des Deutschen Reiches sehr stark angestiegen. Bergbau wurde kriegswichtig. Beckenbauer wurde vom Kriegsdienst freigestellt.

Nach dem erzwungenen Waffenstillstand mit Frankreich im Juni 1940 musste der französische Minetteerzbergbau an das Deutsche Reich liefern. Dort wurde Beckenbauer dann vom Generalbevollmächtigten für den Vierjahresplan der NS als dessen ständiger Stellvertreter für Eisenerzgewinnung und -verteilung eingesetzt. Er war mit der gesamttechnischen Leitung des Minettebergbaus in Metz beauftragt und musste zusehen, dass dieser nach den Kriegsschäden wieder voll förderfähig wurde. In dieser Funktion kam er dann auch mit Dr. Friedrich Flick in Kontakt . Zugleich behielt er seine alte Stellung in Salzgitter. Außerdem war er im Vorstand der bergbaulichen Vereinigung im Oberbergamtsbezirk Saarbrücken tätig.  Heute würde man sagen, er war gut vernetzt.

Der Bergbau in Salzgitter wurde, neben der Erzgewinnung, auch mit anderen kriegswichtigen Arbeiten betraut, wie den Bau von unterirdischen Fertigungsräumen für die Flugzeugindustrie und Luftschutzbunker, sowie, mit Fortschreiten des Krieges, für Aufräumarbeiten in westdeutschen Städten.


1945/46 wurde Beckenbauer, wie viele andere leitenden Männer der deutschen Wirtschaft in Schutzhaft genommen und vor Gericht gestellt. Die sich anschließende Entnazifizierung dauerte doch recht lange, bis Ende 1948, und endete schließlich mit dem Spruch „nicht betroffen“.

Danach war Beckenbauer bis 1949 als selbstständiger Gutachter im Ruhrbergbau tätig. Von 1949-1951 war er als „Widerpart“ gegen den offiziellen Treuhänder bei den früheren Reichswerken Paul Pleiger  als Geschäftsführer eingesetzt.

Durch seine Bekanntschaft und sein Vertrauensverhältnis mit Flick wurde er im Sommer 1951 zuerst als Gutachter und ab Frühjahr 1952 als Bergwerksdirektor bei der Maxhütte eingesetzt. Die kannte er ja schon von seiner Tätigkeit in der Eisensteinzeche Pegnitz (1937 – 1938). Damit hatte Flick einen Mann seines Vertrauens in eine Schlüsselstellung bei der Maxhütte gesetzt.

Nach dem Krieg war der Bergbau in den Sulzbacher Gruben ja zunächst zum Stillstand gekommen. Im April 1946 war die Förderung völlig eingestellt. In den Folgejahren war noch die alte Bergbaudirektion aktiv. Direktor Gilitzer wurde nach dem Krieg nicht mehr eingestellt. In der Zeit des Wiederaufbaus standen für den Bergbau der Maxhütte große Aufgaben an, die von Beckenbauer in Angriff genommen wurden.
Die wichtigsten waren das Abteufen der Schachtanlage „Sankt Anna“, der Abschluss der Grubenbaue in Fromm, Etzmannsberg und Schützenheim. Dazu gehörte die weitgehende Mechanisierung von Transport und Förderung. Die Erzfelder „Sankt Georg“ und Großenfalz wurden erschlossen und zeitgleich der Sicherheitspfeiler des Klenzeschachtes abgebaut.

Der Erzbedarf stieg mit dem beginnenden Wirtschaftswunder rapide an. Die Abbaumengen mussten deutlich erhöht werden. Dazu wurde die Aus- und Vorrichtung verbessert und die Erzgewinnung durch den Einsatz modernster Maschinen mechanisiert. Dabei versuchte Beckenbauer immer wieder Abbaumethoden, wie er sie im Kohlebergbau kennengelernt hatte, anzuwenden. Zum Leidwesen der Steiger und Bergleute funktionierte das nicht immer.  

Eine ähnliche positive Entwicklung zeigte sich im Grubenbetrieb Auerbach. Der Aufschluss des Erzkörpers Bernreuth, durch das Auffahren der Hauptförderstrecke im liegenden Malmkalk, ermöglichte die Entwässerung des unverritzten Erzfeldes. Der Bergwerksdirektor profitierte – sowohl in Sulzbach, als auch in Auerbach – von den sehr umfangreichen Untersuchungs -und Aufschlussbohrungen, die von all seinen Vorgängern immer wieder durchgeführt wurden.
Jetzt konnte er die prospektierten und noch nicht abgebauten Erzvorkommen ausbeuten. Das zeigte sich in den Produktionszahlen: Während in Sulzbach im Zeitraum von 1855-1952 rund 11,25 Mio. t Erz gefördert worden, betrug die Förderung von 1951-1966 6,9 Mio. t.

Beckenbauer musste aber auch große Schwierigkeiten und Rückschläge erleben. Der Sankt-Anna-Schacht konnte nur unter größten Mühen abgeteuft werden.
Es gab gewaltige Wassereinbrüche beim Auffahren der Hauptförderstrecke von dort nach Großenfalz und am Eichelberg, sowie einen großen Wasser-und Schlammeinbruch aus der Wetterstrecke in Großenfalz. Auch in Auerbach gab es außerordentliche Schwierigkeiten, zuletzt mit dem Ersaufen der unteren Grubenbaue der ganzen Grube Auerbach.

Diese unerwarteten Unglücke forderten auch den Menschen Beckenbauer bis an seine Belastungsgrenze. Er hielt es aus, denn er war ein robuster Charakter. Ob da der Spitzname „Moosbüffel“ herkommt?

Was weniger bekannt ist: zu den Aufgaben des Sulzbacher Bergwerksdirektors gehörte auch die Leitung des Kalkwerks Vilshofen. Es stellte den Prozesskalk für die Hüttenwerke Rosenberg und Haidhof her. Auch in diesem Betrieb entwickelte der Direktor neue Methoden für Abbau, Sprengung und Entwässerung. Nur so konnte der Steinbruch wirtschaftlich betrieben werden.

Was nicht allgemein bekannt war: Über den Bereich des Eisenerzbergbaus hinaus war Direktor Beckenbauer, mit der Maxhütte, maßgeblich an den Arbeiten zur Auffindung und zur vorbereitenden Erschließung deutscher Uranerze beteiligt und ebenso an der Auffindung von Mangan Erzvorkommen in Oberbayern und Österreich. Er hat 1956 sogar eine Uranmedaille prägen lassen.  Sie lagert heute im Deutschen Bergbaumuseum Bochum. In diesem Zusammenhang war er im COMMUNAUTÉ EUROPEENNE DE L ÉNERGIE ATOMIQUE aktiv.   

Ein breites Arbeitsfeld also, das oberste Bergmann unserer abdeckte. Menschlich war er, soweit man alte Bergleute befragt, akzeptiert. Aber während der frühere Betriebsleiter der Grube Karoline, Oberingenieur Hamacher, unter den alten Bergleuten schlechthin als der Bergwerkschef galt, hielten sie vom Bergwerksdirektor Beckenbauer nicht unbedingt viel. Immer wieder einmal fiel in Gesprächen der Satz: „Das hätte es beim alten Hamacher nie gegeben“ (z.B. Wagen auskratzen, alles aufräumen). Von Obersteiger Ludwig Ritter habe ich die objektiven Hintergründe dafür erfahren.
Die Ursache war nach seiner Ansicht, dass Hamacher als Betriebsleiter sehr viel unter Tage war. Dort kümmerte er sich vielfach selbst um Probleme, redete dabei mit den Bergleuten. Und wenn Not am Mann war, langte er auch selbst mit hin. Dabei wurden natürlich immer wieder einmal persönliche Dinge angesprochen, was die Bergleute als besondere Wertschätzung empfanden.

Bergassessor Beckenbauer hingegen war als Direktor für alle Gruben zuständig und damit mehr an den Schreibtisch gebunden. Allerdings unterhielt er sich aber, auch wenn er unter Tage war, nur selten mit den Bergleuten. So hatte er, obwohl er ein exzellenter Fachmann war und dem Bergbau in Sulzbach neue Möglichkeiten schuf, nie den Ruf Hamachers erreicht. Sein Nachfolger Eugen Kirschhock hat die Darstellung Ritters bestätigt.

Es gibt aber auch andere Geschichten über ihn. Im Internet ist eine heitere Begebenheit über ihn überliefert.
Helmut Heinl, Januar 2023         
[1] Beckenbauer, Franz: Die Entwicklung des Doggererzbergbaues in Pegnitz bis zur Einführung des Langfrontrückbaues (Strebbruchbaues), in: Glückauf 75. Jg. Nr. 6 v. 11.2.1939
[2] Info v. Dir. Eugen Kirschhock
[3] GLÜCKAUF-Berg- und Hüttenmännische Zeitung Heft 7 Essen, 13. Februar 1943 79. Jahrgang.
[5] Direktor durfte sich in der MH nur nennen, wer mehrere Bergwerke leitete
[6] https://www.onetz.de/sulzbach-rosenberg/lokales/interview-mit-bergassessor-eugen-kirschhock-  schlammeinbruch-in-grossenfalz-d1039088.html
[7] https://www.bergbau-sammlungen.de/de/aktuelles/fund-des-monats-eine-strahlende-medaille-fuer-das-dbm
 https://de.wikipedia.org/wiki/Uranbergwerk_Wei%C3%9Fenstadt  
[9] https://oberpfaelzerkulturbund.de/wp-content/uploads/2016/08/34.NGT-Seite-37_48.pdf
 Außerdem MH-Akten Stadtarchiv. Bilder: Ludwig Ritter
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