Helmut Heinl Autorenseite
"Leben in der Bergmannssiedlung"
Leben in der Bergmannssiedlung
1. Vorgeschichte
2. Nur für Bergarbeiter
3. Selbstversorgung war Ziel – sogar mit Tabak
4. Kraut und Rüben
5. Viele Talente
6. Klein aber mein
7. Gute Nachbarschaft
8. Es ließ sich leben
9. Alltagsleben
10. Das Ständchen spielen
11. Bartlkirwa
12. Schlachtschüssel
13. Lebensmittelversorgung
14. Wirtshaus
15. Krieg macht sich bemerkbar
16. In der Nachkriegszeit ideal für Kinder
17. Winter
1. Vorgeschichte
Bereits
1927/28 wurden unter Mithilfe der Maxhütte in der „Siedlung Heimaterde“
(hintere Feuerhofsiedlung) Häuser gebaut. Schon vorher waren zwei
6-Familienhäuser an der Edelsfelder Straße, zwei 4-Familienhäuser, ein
3-Familienhaus gebaut worden, und zwar von einer
Siedlungsgenossenschaft, die nur aus Bergleuten bestand (laut
Bergamtsakten). Die Häuser sind aber nicht genau bekannt. Weitere Häuser
sollen von der Maxhütte um 1940 gebaut worden sein. Nachweise stehen
noch aus.
Noch
vor dem Zusammenschluss mit Rosenberg, am 1. Juli 1934, wurden in
Sulzbach bereits Pläne für die Lerchenfeldsiedlung entwickelt. Gebaut
wurde sie aber erst nach dem Krieg.
Die
nationalsozialistische Regierung bemühte sich nach der Machtübernahme,
wohl schon im Hinblick auf ihre Kriegsabsichten, die Eisenindustrie zu
stärken. Adolf Hitler fordert in seiner Denkschrift zum Vierjahresplan
die "Unabhängigmachung unserer nationalen Wirtschaft vom Ausland". Dazu
gehört natürlich vor allem Eisen und Kohle.
Was
die Nationalsozialisten wollten und in den ersten Jahren erreichten,
ist in der „Denkschrift der Bayerischen Landesregierung“ zum ersten
Vierjahresplan vom März 1937 enthalten. Dazu gehören u. a. der
Eisenerzbergbau und der Kleinsiedlungsbau. Begründet wird letzterer
damit, dass die Arbeiter wieder mehr Kinder bekommen sollen, eine
krisensichere Versorgung mit Lebensmitteln haben und schließlich sei der
Siedlungsplan „ein Gebot unserer Wehrhaftmachung“. Da konnte man schon
erkennen wo es hingehen sollte.1
2. Nur für Bergarbeiter
In
den Jahren ab 1936 wurde deshalb eine reine Bergarbeitersiedlung auf
dem Feuerhof geplant und ab 1938 auch gebaut. Dazu wurde eine große Zahl
Bergleute aus dem Umland geholt. Sie kamen aus dem Birgland, dem
Vilstal oder aus der Umgebung von Königstein und Auerbach (z. B. Kohl
Fritz: Eschenfelden; Stöcklmeier Johann: Kastl; Zangl Ludwig:
Steininglohe). Alle hatten bereits vorher in den Sulzbacher Gruben
gearbeitet, wussten also, was auf sie zukam. Die Nähe zu den Gruben
Karoline oder Etzmannsberg machte es den Bergleuten leicht, den Weg zur
Arbeit bei jedem Wetter zu Fuß zurückzulegen. Zu den 32 Bergleuten kamen
noch 2 Maxhüttenarbeiter.
Weil
nach dem Krieg zahlreiche Akten aus dem Stadtarchiv, soweit sie aus dem
Dritten Reich waren, vernichtet wurden, lässt sich der genaue Werdegang
bis zum Siedlungsbau nur mehr schwierig rekonstruieren. Sicher ist,
dass die Siedlung Feuerhof ausschließlich für Bergleute geplant und
gebaut wurde. Sie wurde auch als Bergarbeitersiedlung bezeichnet und von
vorneherein so angelegt, dass sich ihre Bewohner Nutztiere halten und
so selbst versorgen konnten. Meistens waren das Schweine oder Ziegen.
Manche hatten auch eine Kuh. Häufig wurden Hasen und selbstverständlich
Hühner gehalten. Um die Tierhaltung zu unterstützen be-kam jeder Siedler
beim Einzug ein
“Sugerl“.2
Die Grundstücke waren, mit durchschnittlich 1000 qm, groß genug, damit
ausreichend Obst und Gemüse angepflanzt werden konnte. Die Details sind
in der Chronik des Siedlervereins „60 Jahre Siedlergemeinschaft
Feuerhof“ nachzulesen.
Quelle: 60 Jahre Siedlergemeinschaft Feuerhof
3. Selbstversorgung war Ziel – sogar mit Tabak
Damit
ließen sich - auch für die Maxhütte- verschiedene Ziele erreichen.
Einerseits wurden die Bergarbeiter sesshaft gemacht und damit zu einem
festen Arbeiterpotenzial des Unternehmens. Die MH war damals ja mit
Abstand der größte Arbeitge-ber in der Region. Andererseits konnten die
Löhne niedriger gehalten werden, weil die Bergleute durch die
Selbstversorgung mit Gemüse und Fleisch nicht auf teure
Lebensmittelkäufe angewiesen waren.
Hans
Zangl sagte mir, dass sogar der Tabakanbau im eigenen Garten erlaubt
war. Die Blätter wurden am Dachboden getrocknet, anschließend fein
geschnitten und in der Pfeife geraucht oder zu Zigaretten gedreht. Dazu
hatten sich einige der Siedler Schneidemaschinen gekauft, damit sie mit
dem Feinschnitt ihre Zigaretten leichter drehen konnten. Die Bergleute
waren damals überwiegend Raucher, egal ob mit Pfeife oder Zigarette,
obwohl in den Gruben nicht geraucht werden durfte.
Selbst angebauter Grobschnitt
Nachdem
die Maxhütte nahezu alle Grundstücke im Raum Sulzbach erworben hatte,
unter denen Erz vermutet wurde, war sie auch der größte
Grundstücksbesitzer in der Region. So konnte sie an ihre Arbeiter
Ackerland verpachten, damit sie Kartoffeln, Getreide und Gras für
Ziegen, Kühe und Hasen ernten konnten. Für die Maxhütte also eine
praktische Sache.
Es
soll aber nicht verkannt werden, dass diese Siedlung auch für die
Bergleute Vorteile hatte. Sie waren ihr eigener Herr und mussten nicht
irgendwo in Miete wohnen. Da sie weitgehend unter sich waren, gab es so
gut wie keine sozialen Spannungen oder keine Probleme mit den Kindern,
von denen jede Familie einige hatte.
Außerdem
war jeder Bergmann, der acht oder 10 Stunden in Finsternis und
schlechter Luft schwer arbeiten musste, froh, wenn er nach 5 Minuten
Fußweg zu Hause war, ein gutes Essen auf dem Tisch hatte und sich
anschließend um den Garten kümmern konnte.
Der
Bergbau gehörte zum Alltagsleben, ebenso die Nachbarschaft, die Nähe
zur Grube, die gemeinsame Teilnahme an bergmännischen Festen, häufig der
gemeinsame Weg zur Grube, um nur einige Beispiele zu nennen. Das Leben
der Bergmannsfamilien in der Siedlung wurde durch die Schichten
bestimmt. Hatte der Vater Nachtschicht, durften die Kinder keinen Lärm
machen – auch die vom Nachbarn.
Dass
man kurz vor jedem Schichtwechsel oft das Schießen unter Tage hörte,
wurde schon gar nicht mehr wahrgenommen. Die Siedler glaubten, der Abbau
erfolge unter der Siedlung. Richtig ist, dass der Abstand der Siedlung
zur Erzgrenze ca. 150 m in 90 m Tiefe (aus Bergbauakten) betrug.
Viele
Bergleute auf dem Feuerhof hatten sich einen Taubenschlag gebaut. Nach
der Nacht- oder Frühschicht saßen sie dann oft mit ihren Pfeifen auf der
Bank vor dem Haus oder lehnten am Gartentor. Sie sahen ihren Tauben zu
und lockten sie mit Körnern. Jeder hatte den Ehrgeiz, die schönsten
Tauben oder die besten Flieger zu haben, tauschte oder handelte sie mit
anderen Kameraden. Warum gerade die Taubenzucht das Hobby von Bergleuten
ist, wurde noch nicht untersucht. Sicher ist nur, dass alle Bergleute –
egal ob im Ruhrgebiet, an der Saar oder bei uns – ihre Taubenschläge
hatten und sich dabei erholten. Außerdem standen Tauben immer wieder auf
dem Speiseplan. Natürlich gab es unter Tage oder bei den Ein- und
Aus-fahrten heiße Diskussionen, wer die besten Flieger hatte; und nicht
wenige Spitz-namen wie der „Daamguugerer", der" Daam" oder der
„Daamkuupf“, rühren von dieser Leidenschaft her.
Foto: pixabay
4. Kraut und Rüben
Die
Freizeit des Bergmanns erschöpfte sich aber nicht beim „Daamguugern“.
Während das Gemüse meistens die Frauen anbauten, mussten sich die Männer
um den Acker kümmern, Holz sägen und hacken oder den Garten umgraben.
Als Gartenfrüchte wurden meist Kartoffeln, Kraut, Kohl und gelbe Rüben
angebaut. Außerdem gab es Salat, Spinat, Petersilie und Schnittlauch.
Andere Gemüse waren selten. Ferner gab es Johannisbeer- und
Stachelbeerstauden und als Obst Äpfel, Birnen und wild gewachsene
„Kricherl.“3
Das ist eine Art Zwetschgenbaum, die schon vor Baubeginn der
Feuerhofsiedlung vereinzelt auf den Grundstücken standen. Selten waren
Kirschen- und Pfirsichbäume. Erdbeeren oder empfindliche Pflanzen gab es
kaum.
Das
angebaute Kraut wurde mit einem, von der Siedlergemeinschaft beschafften
Krauthobel fein geschnitten und dann mit Salz und Gewürzen in ein
großes Fass aus Holz oder Keramik eingestampft. Gelbe Rüben und
anderes Gemüse wurden im Keller in feuchtem Sand eingeschlagen. Da
Hühner im Winter bekanntlich wenig legen, konservierte man Eier in
Tongefäßen. Während und kurz nach dem Krieg wurden diese mit Kalkmilch
(gelöschter Kalk) gefüllt und später mit Wasserglas. Einen Kühlschrank
oder gar eine Tiefkühltruhe gab es damals noch nicht. Der kühlste Raum
war der Keller. Das arbeitsreiche Leben war robust und zweckmäßig
eingerichtet. Aber es war nicht mit unserem heutigen Komfort
vergleichbar.
Quelle: 60 Jahre Siedlergemeinschaft Feuerhof
5. Viele Talente
Die
meisten Siedler halfen sich untereinander mit ihren Kenntnissen. Der
eine, wie der Holzenleuchter, verstand sich etwas auf Tierheilkunde und
gab Ratschläge, wenn die Ziege oder Kuh kränkelte. Der andere, wie der
„Baum Bär“ verstand etwas vom Obstanbau, beschnitt und veredelte Bäume.
Die Bergschmiede Edi Großmann, und Johann Dütsch machten Tore und
Gitter, schärften stumpfe Äxte. Der Wismet Wolfgang war viele Jahre als
geschätzter Metzger für Hausschlachtungen unterwegs. Der Gebhard Jackl
machte Schuhe und der Hartmann Girgl konnte Besen binden. Das alles ist
längst vorbei. Heute ist nur mehr der Zangl Hans als Obstbauexperte
übrig, der Bäume zuschneiden und veredeln kann.
Foto: pixabay
6. Klein aber mein
Die
Einrichtung der Häuser war schlicht und zweckmäßig. Die Wohnfläche
betrug etwa 42 qm Quadratmeter, ohne ausgebautes Dachgeschoss. Dazu kam
der Keller mit ca. 13 qm. An das Haus waren der Stall mit 9,4 qm und
die Holzlege mit Heuboden, ca. 4,5 qm angebaut.4
Das Trockenklo lag auf der Gartenseite, der Inhalt der Abortgrube
wurde von den Bergleuten selbst ausgeleert und zur Düngung im Garten
verwendet. Die Hasenställe standen meistens hinter dem Haus im Garten.
7. Gute Nachbarschaft
Die
nachbarschaftlichen Kontakte in Bergarbeitersiedlungen waren einerseits
durch die schwere Arbeit der Männer unter Tage geprägt, andererseits
auch durch viele gegenseitige Hilfeleistungen, nach dem Ende der
Schicht. Sie reichten vom Ausleihen der Ackergeräte, über Leitern, Sägen
bis hin zu Mehl oder Zucker. Man war aufeinander angewiesen, ließ
deshalb einen Streit selten zu einer Feindschaft auswachsen und enthielt
sich andererseits der Einmischung in das Familienleben der Nachbarn.
Und wenn sich die Nachbarsfrauen nicht so recht vertragen wollten,
halfen meist die Männer ein wenig nach.5
Sie kannten sich von der Grube, wollten ihren Frieden haben, nach der
Arbeit. Da gab es dann eher Krach in der eigenen Familie, weil sich die
Männer nicht gerne nachsagen ließen, dass die Frau zu Hause das Sagen
hatte. So etwas hätte sehr schnell zum Gesprächsstoff unter den
Kameraden und zu deftigen Sticheleien führen können.
Die
Nachbarschaft war damals noch eine andere als heute. Neben der
gemeinsamen Arbeit unter Tage spielte sich das Leben viel mehr in Stall
und Garten ab, als heute. Abende wurden- soweit es das Wetter zuließ –
noch mit Arbeit im Garten verbracht. Fernsehen war die absolute
Ausnahme. Dabei war das Gespräch über den Zaun völlig normal, die
Siedler hatten mehr soziale Kontakte als heute.
Quelle: 60 Jahre Siedlergemeinschaft Feuerhof
8. Es ließ sich leben
Die
Infrastruktur in der neu gebauten Feuerhofsiedlung war für die damalige
Zeit nicht schlecht. Die Straßen waren ordentlich mit Schotter und
Schlackensand befestigt, hatten beiderseits Straßengräben und
Sinkkästen. Das Regenwasser wurde unterirdisch, in einem Kanal, auf die
„Rennerwiese“ geleitet. Dort lief es dann in einem Graben weiter, in
Richtung „Spittlholz“. Eine Schmutzwasserkanalisation wurde erst in den
Siebzigerjahren gebaut.6
Es war eine Straßenbeleuchtung mit sog. Tschakoleuchten auf Holzmasten
installiert. Deren Licht reichte aus, um nachts den Weg zu finden und
nicht in Pfützen zu treten. Sogar ein Kinderspielplatz war geplant,
wurde aber – aus welchen Gründen auch immer – nie gebaut.
9. Alltagsleben
Der
Alltag war zweifellos von viel Arbeit geprägt. Neben der Arbeit im
Bergwerk musste der Garten bewirtschaftet werden. Für den Winter war ein
ausreichender Brennstoffvorrat notwendig, der besorgt, heimgefahren und
ofengerecht hergerichtet werden musste. Zahlreiche Siedler halfen
zusätzlich bei den Bauern in der Umgebung aus, im Wald, bei der Ernte
und im Stall. Bevorzugt waren der Bartl und der Grottenhof.
Neben
den Familienfesten gab es wenig große Veranstaltungen. Dazu gehörten
die Gartenfeste in den großen Gaststätten, Bastei, Turnhalle,
Spitzermühle, oft musikalisch gestaltet von der Bergknappenkapelle.
Natürlich wurden das Annaberg- und Frohnbergfest besucht, sowie die
Rosenberger und die Großenfalzer Kirwa. Die Kirwan in den umliegenden
Orten wurden selten besucht. Man musste ja den Weg dorthin zu Fuß
zurücklegen, was mit Kindern bzw. Kinderwagen etwas schwierig war.
10. Das Ständchen spielen
Ein
schöner Brauch in den Bergmannsiedlungen, der auch heute noch ausgeübt
wird – sofern noch Bergleute dort leben - ist das „Ständchen spielen“.
Mitgliedern des Bergknappenvereins, die einen hohen Geburtstag feierten,
spielte die Bergknappenkapelle ein Ständchen. Die Erinnerung an die
heute „alte Zeit“ wird wach, wenn heute noch, in der Stille des Abends,
das Bergmannslied " Glück auf, der Steiger kommt " ertönt. Man hat das
Gefühl, hier ist etwas Besonderes im Gang, hält mit der Arbeit inne und
lauscht den vom Wind verwehten Klängen. So mag es wohl auch in den
sechziger oder Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts schon
gewesen sein.
Ständchen beim Kohl Fritz „Schneck“
Die
Nachbarn kamen aus ihren Häusern und traten auf die Straße oder kamen
gleich zu ihren Nachbarn in den Garten. Die Kinder drängen vorsichtig zu
den Musikern hin. Im Sommer stand der Jubilar vor dem Haus, die Frau
und die Kinder brachten die Schnapsflasche und die Gläser. Der Vorstand
des Vereins gratulierte und dann wurde ein "Stamperl" getrunken.
Als
die Feuerhofsiedlung noch ausschließlich von Bergleuten bewohnt war,
kamen nicht nur die unmittelbaren Nachbarn, sondern aus einem weiteren
Umkreis, gratulierten und tranken ein Gläschen mit. Männer und Frauen
kannten sich ja untereinander sehr gut und nützten die Feier zu einem
kleinen Plausch.
11. Bartlkirwa
Dafür
war die Bartlkirwa ein Fest, das so gut wie alle Feuerhofer besuchten.
Beson-ders hoch ging es dort in den Nachkriegsjahren her. Die Jugend
hatte einen großen Nachholbedarf. Dazu gibt es eine eigene Geschichte.
Die Faschingsbälle in der Nachkriegszeit waren gut besucht.
Bild: Irma Schaumberger
12. Schlachtschüssel
Zum
Schlachten von Schweinen und Schafen kam der Brandmetzger ins Haus. Das
war am Feuerhof meistens der Wolfgang Wismet. Geräuchert wurde entweder
im eigenen Räucherofen, beim Wismet oder beim „Grunbauern“ am
Grottenhof. Hasen und Hühner schlachtete der Familienvater oder der
Nachbar.
Dazu wurden die Kinder
meist zum Nachbarn geschickt, denn die hatten oft mit den putzigen
Tierchen Freundschaft geschlossen und wollten dann das Fleisch nicht
essen.
13. Lebensmittelversorgung
Während
des Krieges waren die Lebensmittel rationiert, aber die Siedlerfamilien
konnten sich mit Grundnahrungsmitteln weitgehend selbst versorgen.
Gekauft werden mussten Mehl, Zucker, Salz, Gewürze. In den Jahren nach
dem Kriegsende wurde die Versorgung schrittweise besser. Es gab fast
alles wieder zu kaufen.
Die
Versorgung mit Milchprodukten – soweit sie nicht aus der eigenen
kleinen Landwirtschaft kamen – war noch schwierig, weil es keine
Kühlschränke gab. In der Siedlung (Edelsfelder Straße 6) wurde deshalb
eine „Milchstelle“ eingerichtet, in der man Frischmilch und Käse kaufen
konnte. Die Milch wurde jeden Tag offen und frisch in großen
Aluminium-Kannen vom Milchhof angeliefert. Im Laden wurde sie dann mit
einer großen Schöpfkelle (halber und viertel Liter) in die eigenen
Milchkannen oder Glasflaschen der Siedler umgefüllt.
Viele
andere Artikel, wie Butter, Backsteinkäse oder Hefe zum Backen gab es
nur in großen Verpackungen. Sie wurden nach Bedarf portioniert und in
Pergamentpapier verpackt. Wie gekühlt wurde, weiß ich nicht, wenn ich
mich recht erinnere, lagen auf den Milchkannen Eisblöcke. Später gab es
einen sehr großen Kühlschrank, der ebenfalls mit Eisblöcken gekühlt
wurde.
Nachdem
es zur damaligen Zeit in den Häusern keine Kühlmöglichkeit gab, war das
Milchgeschäft auch jeden Sonntag und am 2. Weihnachtsfeiertag zwei
Stunden vormittags geöffnet. Die
Milchstelle wurde von der Frau des Bergmanns Jo-hann Meidenbauer und
später von den Familien Siegmund-Klein betrieben. Nach der Schließung
der Milchstelle gab es Milchprodukte im Konsum (Grundstück Silluweit,
Glückaufstraße 1) zu kaufen.
Flaschenbier
konnte man in der Flaschenbierhandlung Melchner, in der unteren
(Siedlung) Glückaufstraße 20 kaufen. Johann Melchner war Bergmann und
seine Frau hatte eine Flaschenbierhandlung und verkaufte Zigaretten. Es
gab Windsheimer Limonade, einen Kaugummiautomaten, einen
Zigarettenautomaten und in späteren Jahren auch Eis. Außerdem betrieb
Anna Melchner eine Heißmangel, in der die Bergmannsfrauen ihre
Bettwäsche plätten lassen konnten.
Bereits
vor dem Krieg soll am Feuerhof eine Zweigstelle des Konsumvereins
eröffnet worden sein. 2) Initiator soll der damalige Siedlervorstand
Johann Binder gewesen sein, der erste Verkaufsstellenleiter nach 1945
sein Sohn Konrad Binder.
14. Wirtshaus
Das
Wirtshaus der Bergleute, Handwerker, Rummersrichter und Gallmünzer
Bauern war schon immer der Bartl am Feuerhof. Das Lokal mit dem
Bauernhof stand zuerst da, wo heute die Straße vom Lohgraben nach
Etzmannshof führt. Die Gebäude mussten 1942, wegen gravierender
Bergschäden, abgebrochen und an den heutigen Standort verlagert werden.
Auch wenn das Wirtshaus in den Grundzügen geblieben ist, haben es die
jeweiligen Wirtsleute immer wieder dem zeitlichen Wandel angepasst.
Der
Wirt Schorsch Winter war eng mit dem Bergbau verbunden. Er war nicht
nur Gastwirt, sondern betrieb eine Land- und Forstwirtschaft, war
Fuhrunternehmer und handelte für die Maxhütte mit Holz. Viele Bergleute
halfen beim Bartl aus, im Wald, beim Holzmachen oder in der
Landwirtschaft.
Bis
heute gibt es im Wirtshaus den Stammtisch "Saubere Platten und wuchtige
Zinken", der 1964 von Feuerhofer Bergleuten gegründet wurde.
Die
Verbindung zum Bergbau ist geblieben. Unter anderem erinnert ein großes
Wandbild, mit dem Klenzeschacht und dem dahinter liegenden Bruchgebiet
an die mehr als 80 Jahre lange Verbindung zum Bergbau.
Vom
Samstagabend, bis in den frühen Sonntagmorgen hielten sich in der
Wirtsstube vorwiegend die Bauern aus der Umgebung auf (Lindhof,
Gallmünz, Großenfalz, Rummersricht). Es wurde ausgiebig Alkohol
konsumiert und dann nicht selten gerauft.
Die
Bergleute der Spät- oder Nachtschicht trafen sich unter der Woche, am
Nachmittag, zum Kartenspielen oder einfach zur Unterhaltung. Was an
Ereignissen nicht schon in der Grube verbreitet worden war, machte hier
die Runde. Der eine zog den anderen auf und man nannte sich beim
Spitznamen, von denen jeder einen hatte - allerdings nur wenn kein
Fremder dabei war.7 Setzte sich ein Nicht-Bergmann an den Tisch wurde das Gespräch beendet.
15. Krieg macht sich bemerkbar
Die Kriegsauswirkungen machten sich auch in der Feuerhofsiedlung bemerkbar.
Die
Söhne vieler Familien wurden zum Kriegsdienst eingezogen. Auch einige
Bergleute wurden, obwohl sie eine kriegswichtige Tätigkeit ausübten, an
die Front abkommandiert. Sie wurden teilweise durch Kriegsgefangene
ersetzt.
Dem Kriegsende zu
hatten fast alle Häuser Einquartierungen von der Wehrmacht. Auch Familie
Dütsch hatte einen Soldaten einquartiert. Dieser Mann war zuständig für
die Essensversorgung- und Verteilung, der um Sulzbach stationierten
Militäreinheiten. Er war 100 %iger Nazi, der bei einem Angriff von
Tieffliegern mit dem Gewehr auf die Flugzeuge schießen wollte. Der Vater
von Rosa Hartmann hat ihm das ausdrücklich verboten, weil zu befürchten
war, dass die Tiefflieger dann auch die Siedlung beschossen hätten.
Mit
fortschreitendem Krieg ging dann auch ein Riss durch die
Siedlergemeinschaft. Während der letzten Kriegsjahre bestand
Verdunkelungspflicht. Nachts durfte kein Licht nach draußen dringen, um
den anfliegenden Bombern keine Orientierungshilfe zu geben. Deshalb
wurden die Fenster nicht nur mit den vorhandenen Fensterläden
geschlossen, sondern zusätzlich mit Decken verhängt. Leider gab es unter
den Siedlern Männer, die diese Verdunkelung auch bei ihren Nachbarn
kontrollierten. Sie hatten keinen offiziellen Auftrag, aber inoffiziell
wusste man, wer es war. Entsprechend vorsichtig war man im Umgang mit
ihnen. Denn man musste damit rechnen, dass sie Informationen sammelten
und an die NSDAP-Leitung weitergaben. Aus diesem Grund hielt man sich
mit Kritik am System zurück. Auch wenn die Sorge und der Abstand zum
NS-System mit zunehmender Kriegsdauer immer größer wurde, die meisten
Feuerhofer schwiegen, aus Angst vor Repressalien.
Nachdem
man Bombenangriffe auf die Maxhütte und das Bergwerk befürchtete,
sollte für die Familien der Bergleute und jene, die gerade nicht unter
Tage arbeiteten, eine Schutzeinrichtung gebaut werden. Der Schneider
Josef Heinl war es, der mit der Stadt Sulzbach im Jahr 1943 eine
Vereinbarung traf, dass im sog. Hölzl ein Splittergraben (stets
Luftschutzbunker genannt) errichtet werden durfte. Angebotene
Gegenleistung war, dass er nach dem Ende der Kriegshandlungen die Steine
des Bauwerks behalten konnte. Nach dem Krieg wurde von einigen
Siedlern, die Steine brauchten, der Bunker im hinteren Bereich
abgebrochen und die Steine abgefahren. Der vordere Teil steht noch
heute, ist aber aus Sicherheitsgründen zugemauert.
Der
Bunker selbst wurde zum Glück nicht wirklich benötigt. Die Siedler
suchten zwar bei Luftangriffen dort Schutz, aber die Siedlung bekam
keine Bombentreffer ab. Die unterhalb der Siedlung liegende
„Rennerwiese“ bekam einen Treffer ab, aber es gab nur einen
Einschlagtrichter. In der unteren Siedlung sollen beim Einmarsch der
Amerikaner auch Granaten eingeschlagen haben, allerdings trafen sie nur
die Straße. So entstand an den umgebenden Gebäuden nur wenig Schaden8 .
Da
waren die Angriffe der amerikanischen Tiefflieger gefährlicher. Hans
Zangl * und Manfred Hausner *1933 konnten sich erinnern, dass dabei
Menschen und Pferde getötet wurden. Es handelte sich um einen von
Pferden gezogenen Lang-holztransport, der aus Richtung Hahnbach kam. Die
Tiefflieger sahen darin wohl ein militärisches Fahrzeug und nahmen es
unter Beschuss. Dabei wurden die Männer samt Zugpferden getötet. Den
beiden Siedlerkindern blieb in Erinnerung, dass die Pferde von Soldaten
notgeschlachtet wurden, die in einigen Häusern einquartiert waren.
Nach
dem Einmarsch der Amerikaner waren in einigen Häusern noch Soldaten
versteckt. Sie mussten unbedingt die Kleidung wechseln, um als
Zivilisten zu er-scheinen. Denn einer der vom Krieg zurückgekehrten
Siedler hatte Teile seiner Uniform anbehalten und wurde von den Amis
aufgegriffen. Weil sie auch noch eine SS-Tätowierung bei ihm fanden,
wurde er als vermeintlicher Widerstandskämpfer abgeführt und unterhalb
der Siedlung erschossen. M. Hausner und H. Zangl erinnern sich noch
heute an das Bild, als die Ehefrau ihren toten Mann auf dem Handwagen
nach Hause zog. Die Siedlung hat in den 85 Jahren ihres Bestehens also
auch schreckliche Dinge erlebt. Wir können uns glücklich schätzen, dass
seitdem Deutschland in keine Kriege mehr verwickelt wurde.
16. In der Nachkriegszeit ideal für Kinder.
Die
Grundstücke waren mit Heckenrosen eingezäunt, die die Buben sehr viel
besser abhielten als die heutigen Draht- oder Bretterzäune. Wer einmal
in einer „Haifferlstauern“ stecken geblieben ist, weiß das. Die schönen,
prall roten Früchte dieser Umzäunungen boten im Herbst dreierlei
Möglichkeiten. Sie wurden von den Frauen zu leckerer Marmelade verkocht
oder von den Jungen im „Zwiesel“ verschossen. Da konnte man schon einmal
ein „Haifferl“ an die Birne bekommen. Tat zwar weh, war aber nicht
weiter gefährlich. Die dritte und gemeinste Möglichkeit war, die
haarigen Samenkörner jemandem ins Hemd zu stecken. Das juckte
fürchterlich, man musste das Hemd ausziehen und sich am besten gleich
noch waschen.
Es
gab aber auch weniger wilde Beschäftigungen. Der lockere Schlackensand
lud zum Spielen ein. Man konnte sehr leicht ein Loch zum Schussern
(Huian) graben. Da wechselten dann die heiß begehrten Glasschusser ihren
Besitzer. Wer keine hatte, machte sich welche aus Lehm, die allerdings
sehr schnell zerbrachen.
Wenn
es regnete, wurden Gräben gezogen und die Pfützen miteinander verbunden,
bis dann wieder einer hineinsprang und die anderen mit Schlamm
vollspritzte. Alle schrien und schimpften auf „die alte Sau“.
Der
beliebteste Spielplatz aber war das Bruchfeld, auch wenn die Eltern das
streng verboten hatten. Der zerklüftete und verwilderte Südhang des
Etzmannsberges bot echte Abenteuer in jeder Hinsicht, vom Lagerfeuer bis
zum Hüttenbau.
Indianer-Wigwam am Bruchfeld, noch ohne Abdeckung mit Zweigen.
Alles
war möglich und niemand störte. Das ganze Bruchfeld war mit Seilen
abge-sperrt und durch Schilder markiert. Die Kinder kümmerte das nicht.
Hier
gab es unendliche Möglichkeiten für echte Abenteuerspiele und der Reiz
der Gefahr spielt natürlich auch mit. Denn an einigen Stellen am
Etzmannsberg gab es schon sehr tiefe Klüfte. Warf man dort Steine
hinein, konnte man hören wie sie hinab polterten und in der Tiefe
aufschlugen. An Wintertagen, mit starkem Frost, zog aus den Spalten der
feuchtwarme Nebel herauf und das Gras am Rand war mit Raureif überzogen.
Die
Bruchfelder waren ringsum eingezäunt, mit ausgedienten Förderseilen,
befestigt an Grubenbahn-Schienen. Schilder warnten mit „Bruchfelder
betreten verbo-ten“. Und nicht zu Unrecht, denn es gab schon gefährliche
Stellen.
Fasching um 1960. Da gab es noch viel mehr Kinder in der Siedlung. Im Hintergrund die Stromleitung zur Grube Auerbach.
Gefährlicher
wurde es, wenn wieder einer der Buben, von seinem Vater einen
Karbidbrocken geklaut hatte. Der wurde zerkleinert und ein kleines Stück
in eine Blechdose gelegt. Die umgelegte Dose (meistens eine ausgediente
Farbdose) hatte vorne einen Deckel und hinten ein kleines Loch. Spuckte
man auf den Karbid entstand ein stinkendes Gas, das bei geschlossenem
Deckel durch das kleine Loch ausströmte.
Jetzt
brauchte man nur noch ein brennendes Streichholz hinhalten, dann gab es
einen ziemlichen Knall und der Deckel flog einige Meter weit. An den
Karbid war leicht zu kommen, denn jeder der Väter hatte mindestens eine
Karbidlampe zu Hause. Sie stand oder hing meistens im Hausgang,
Eingangsbereich. Der Karbid, kleine graue Brocken, lag unweit davon in
einer Blechdose mit dicht schließenden Deckel.
Was
die Eltern ebenfalls nicht wissen durften, war das „Sprengen“ von
Platzpatronen. Die von den Amis bei Manövern liegen gelassene
Gewehrmunition wurde zunächst aus den Ketten gezogen. Dann wurde auf der
Rückseite der Gummi einer Bier-Bügelflasche gespannt und angezündet.
Alle liefen weg und hofften, das es möglichst lauf knallte. Das war
alles nicht ungefährlich – aber es ist nie etwas passiert.
17. Winter
Kein
Zweifel, die Winter waren damals noch wesentlich ausgeprägter als
heute. Die Edelsfelder Straße wurde meistens nur einmal am Tag geräumt,
die Bergknappen- und Glückaufstraße nur in Ausnahmefällen. Wegen des
geringen Verkehrs konnte man auf der Straße problemlos mit dem Schlitten
oder mit Skiern fahren.
Die
Schneewehen entlang der Edelsfelder Straße waren oft meterhoch und
reich-ten bis in die Hälfte der Fahrbahn. Für uns Kinder der ideale
Platz, um oben hinein zu springen und uns unten wieder heraus zu graben.
Schneewehen Edelsfelder Straße
Auch auf dem damals noch spärlich bewaldeten Westhang am Bruchfeld ließ sich wunderbar Ski fahren.
Vielen
Dank an Rosa Hartmann, Manfred Hausner, Martin Lotter und Hans Zangl
für ihre Informationen, an Irmi Schaumberger für die überlassenen Fotos.
Alle Bilder, soweit nicht anders vermerkt: Archiv Heinl.
© Helmut Heinl 2023
[1] „Denkschrift
der Bayerischen Landesregierung“ zum ersten Vierjahresplan vom März 1937
[2] Chronik „60 Jahre Siedlergemeinschaft
Feuerhof“, S. 17
[3] Kricherl: Jahrzehntelang als
störender Baum (der sich über „Wurzelbrut“ sehr gut vermehrt) betrachtet, wurde
er meist entfernt. Doch einige Kricherlbäume haben in der Siedlung diese Zeit überlebt. Das Kricherl ist eine
sehr alte Kulturfrucht, mit kleinen aber wohlschmeckenden Früchten.
[4] Chronik „60 Jahre
Siedlergemeinschaft Feuerhof“
[5] Manfred Hausner *1933 + 2022
[6] Wegen der ständigen
Bergsenkungen wurde die Kanalleitung entlang der B 14 in Kunststoffrohren hergestellt und auf
Holzstelzen gesetzt. Ein Teil ist heute noch sichtbar. Damit sie im Winter
nicht einfroren, mussten sie zusätzlich isoliert werden
[7] Näheres zu dieser
bergmännischen Besonderheit findet man in „ Der Eisengau“, Band 56/2021
[8] Vgl. „ Der Eisengau“, Band