Papiermüllner - KulturAS "Wir sind eins: Aus der Region - für die Region"

2024/2025
Gemeinschaft von netten, unternehmungslustigen, kulturbewussten und reiselustigen Menschen
Sulzbach-Rosenberg/Feuerhof
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Helmut Heinl Autorenseite
"Leben in der Bergmannssiedlung"
Der Papiermüllner und der Praktikant,
eine Geschichte, erzählt vom Pfeiferlsteiger

Der „Papiermüllner“ soll eigentlich ein recht friedfertiger, aber verschlossener Kamerad gewesen sein. Wie viele Bergleute war er groß und kräftig gebaut und seine Fäuste ließen erkennen, dass er zupacken konnte. Eines konnte der Bergmann allerdings nicht vertragen: wenn man ihn bei seinem Spitznamen rief. Es hatte sich auf der Grube Karoline schon herumgesprochen, dass man ihn damit bis zum Äußersten reizen konnte. Dazu nutzten die Kameraden natürlich jede Gelegenheit. Mit der Zeit hatte sich die Wirkung des Reizwortes so gesteigert, dass es genügte, dem Papiermüllner einen Fetzen Papier zu zeigen. Dann war es allerdings das Beste, sofort möglichst schnell davonzulaufen und sich gut zu verstecken.

Eines Tages sollte der Markscheider, der Vermessungsingenieur im Bergbau, vom Bergamt Amberg einfahren, um eine Strecke (Stollen) zu vermessen. Der Pfeiferlsteiger, ein „ Oarzgrowa“, der nie um einen Streich verlegen war, sollte den Markscheider führen. Denn er kannte sich im weitverzweigten Grubengebäude aus (so heißen die ganzen Wege und Orte unter Tage) und wusste die einzelnen Vermessungspunkte.

Ein Praktikant, dessen Vater Bergrat im Bergamt war, sollte den beiden als Helfer zur Hand gehen. Für den Pfeiferlsteiger eine Gelegenheit, dem Papiermüllner wieder einmal einen Streich zu spielen. Nachdem die Vermessung beendet war, lud er sich das Vermessungsgerät auf, denn der Markscheider als Respektsperson brauchte nichts tragen. Dann zog er noch einen Zettel aus der Tasche, drückte ihn dem Praktikanten in die Hand und sagte ihm, er solle den Zettel einem Bergmann geben, den sie dort auf der Strecke treffen würden. Er werde den Mann schon erkennen, wenn er ihn grüßen werde. Er selber wolle nichts mit dem zu tun haben, da er sich nicht mit ihm vertrage.
Dann ging er mit dem Markscheider in Richtung Schacht voran.
Als sie zu dem Mann kamen, grüßte ihn der Pfeiferlsteiger mit „Glück auf“ und einem kräftigen Kopfnicken. Dabei sah er den Praktikanten an. Dieser wusste Bescheid, ging auf den Bergmann zu und hielt ihm den Zettel hin. Der Papiermüller warf sofort die Schaufel weg und schrie den Jungen an: „Rotzlöffl, hau bloß ab mit dei'm Fetzn!". Der Junge, ahnungslos, rief dem Papiermüllner zu, er solle doch den Zettel nehmen. Da war es schon geschehen! Der Papiermüller haute dem Praktikanten links und rechts eine hinein, dass es nur so knallte. Der arme Junge wusste gar nicht, wie ihm geschah! Und ehe er erkannte, was los war, hatte er schon wieder zwei erwischt. Endlich reagierte er, lief davon und der vierschrötige Mann lief ihm noch ein paar Meter unter wüsten Beschimpfungen nach.

Völlig verstört holte der Junge den Bergmann mit dem Markscheider ein und erzählte ihnen was passiert war. Der Markscheider war ganz entrüstet, fragte den Pfeiferlsteiger, ob der Mann wohl verrückt sei, weil er den Praktikanten einfach geschlagen habe. Darauf wusste dieser natürlich auch keine Antwort und meinte nur, ein recht komischer Kerl sei dieser Mann schon immer gewesen.

Bei der nächsten großen Veranstaltung des Bergknappenvereins hielt der Vater des Praktikanten die Festrede. Die Feuerwehrkapelle Großenfalz, bei der der Pfeiferlsteiger mitspielte (daher der Spitzname Pfeiferlsteiger), hatte die musikalische Umrahmung übernommen. Als der Bergrat den Mann erkannte, schob er sich zwischen den Musikern hindurch auf ihn zu und schüttelte ihn lachend an den Schultern. Augenzwinkernd fragte er ihn, wie es gekommen sei, dass sein Sohn ein paar Ohrfeigen bekommen habe. Er kannte nämlich den Erzgräber schon von einer anderen Geschichte her. Der hat ihm dann den wahren Hintergrund erzählt und beide haben herzlich gelacht.

© Helmut Heinl 2021

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