Die Wohnküche war immer warm, Geschichte von Helmut Heinl
Helmut Heinl Autorenseite
"Leben in der Bergmannssiedlung"
Die "Gute Stube"
Die Wohnküche war immer warm
von Helmut Heinl
Den ungezügelten Energieverbrauch, den wir uns von den Amerikanern abgeschaut haben, war in den Jahren als die Siedlung gebaut wurde unbekannt. Wer nicht wirklich sehr gut gestellt war, versuchte beim Heizen zu sparen. In den Häusern, auch in denen der Stadtbürger wurden nicht alle Räume beheizt. Meistens war es nur in der Wohnküche warm, in der sich der Alltag abspielte. Dort wurde am Morgen zuerst der Küchenherd angeheizt, damit es zum Frühstück warm war.
Das Feuer wurde nicht mit Papier entfacht sondern mit klein gehacktem Holz und Kienspänen. Die wurden aus harzigem Kiefernholz gespalten und verströmten einen angenehmen Duft.
Einmal angezündet rußten sie allerdings fürchterlich. Papier war damals Mangelware. Zeitungspapier wurde – wenn es denn im Haushalt überhaupt eine Zeitung gab – für andere Zwecke verwendet. Es hing in handtellergroßen Stücken, auf einen Haken gespießt, im Klo.
Kam der Vater um halb Sieben von der Nachtschicht heim, schürte er den Herd an. Meistens war aber die Mutter schon um 6 Uhr auf und hatte angeheizt. Nach dem Anschnüren war auch das Wasserschaff schnell wieder warm. Das war eine praktische Einrichtung, denn so gab es immer warmes Wasser, zum Spülen oder für die Wärmflasche, ohne Strom und Boiler.
Der Vater trank am Morgen nach der Nachtschicht meistens noch eine Tasse Kaffee - eine von jenen Riesenhumpen, in die fast ein halber Liter passte - und aß noch ein paar Bissen, bevor er ins Bett ging. Mit Kaffee ist natürlich nur Malzkaffee gemeint. Im Winter hatte die Frau schon das erste heiße Wasser aus dem Herd geschöpft und dem Vater eine Wärmflasche ins Bett gelegt.
Hatte der Vater Frühschicht standen er und Mutter schon vor 5 Uhr auf, denn spätestens viertel vor 6 Uhr stand er am Förderkorb zur Einfahrt an.
Wenn die Kinder aufstanden war die Stube schon wohlig warm. Das Wasserhaferl summte auf der Herdplatte und der Lichtschein, der durch die Risse in der Herdplatte und das Loch für den Schürhakl drang, spielte an der Decke. Die morgendliche Wäsche wurde am Waschbecken in der Küche oder in einer Waschschüssel, die auf den Hocker gestellt wurde, erledigt. Möglichst nahe am Herd, weil es aus der Backröhre schön warm herauswachelte. Die Schuhe wurden unter den Ofen gestellt und die Unterwäsche vor dem Anziehen kurz an die Stange vor die Backröhre gehängt.
Das Schlafzimmer blieb, solange der Vater schlief - und das war bei Nachtschicht meistens bis zwei oder drei Uhr am Nachmittag - verschlossen. Die Kinder der Bergleute wussten, dass sie in der Küche oder im Hof vor dem Fenster hinter dem der Vater schlief, nicht lärmen durften, sonst setzte es was. Erst wenn er aufgestanden war, konnten sie endlich laut spielen.
Dann blieb die Schlafzimmertüre offen, damit der Raum etwas warm wurde. In kalten Wintern reichte das gerade aus um die Temperatur nicht unter den Gefrierpunkt sinken zu lassen. Denn regelmäßig beheizt wurde nur die Wohnküche. Dazu brannte im Winter fast den ganzen Tag das Feuer im Herd. Lag das Schlafzimmer über den Gang, war es dort meistens noch viel kälter. Da konnte es schon vorkommen, dass während der kalten Tage die Außenwände angereift und die Fensterscheiben so dick mit Eisblumen überzogen waren, dass man nicht mehr hinaussehen konnte.
Am Abend wurde die verzinkte und immer wieder gelötete Blechwärmflasche auf die heiße Herdplatte gestellt und dann, wenn sie zu sieden begann, zugeschraubt und ins Bett gestellt. Wer keine Wärmeflasche hatte, legte ein paar Ziegelsteine, mit Stoff umwickelt hinein, die in der Backröhre aufgewärmt worden waren.
Nicht jeder Bergmann hatte so viel Geld um sich ausreichend mit Holz und Kohle einzudecken. Meistens hatte die Familie drei oder mehr Kinder die gut versorgt werden sollten. Jeder in der Grube beschäftigte bekam zwar Bergholz, auch Grubenholz genannt, und oftmals auch die so genannten Schwarten. Aber das reichte nicht aus, um die Wohnung einen Winter lang warm zu halten. Ein billiger Ersatzbrennstoff waren Sägespäne.
Die Bergleute am Feuerhof erhielten ihre Zuteilung an der Säge der Grube Caroline. Die zogen sie dann mit dem Handwagen, oder im Winter mit dem Schlitten nach Hause und kippten sie in den Verschlag mit den Sägespänen. Wir Kinder durften dann meistens barfuss auf dem Schüttgut herumspringen damit es zusammengepresst wurde und nicht so viel Platz brauchte.
Der eigentliche Sägespäneofen bestand aus einem runden oder viereckigen Eisenblechbehälter, den jeder Schmied oder Spengler anfertigen konnte.
Dieser Ofen war keine ideale Dauerheizung. Einmal entzündet brannte die Füllung zwei bis vier Stunden. Während dieser Zeit spuckte er, oft rot glühend, eine enorme Hitze aus. Nach einer weiteren Stunde war das dünne Blech schon wieder ausgekühlt; der Ofen musste neu gefüllt werden. Deshalb wurde er meistens zum schnellen Aufheizen verwendet, oder wenn das Wohnzimmer mit temperiert werden sollte.
Tagsüber ging im Winter das Feuer im Herd nicht aus, denn er diente zum Kochen, Braten, Heizen und im Wasserschaffl war immer warmes Wasser. Das Backen und Braten mit dem Holzherd erforderte besondere Erfahrung und Umsicht, damit nichts anbrannte. Wurde nicht gerade gebraten, blieb die Backröhre immer offen. Die Stange davor diente zum Trocknen von Hand- und Geschirrtüchern. Im Winter wurde am Morgen die Wäsche der Kinder kurz angewärmt. Das Holz wurde in einem Eisenschuber auf Rollen unter dem Herd gelagert und vom Vater oder den größeren Kindern immer mit dem Grätzl nachgefüllt. Die Asche kam in einen Blecheimer und wurde in den Garten gestreut.
Mit dem Holz wurde möglichst sparsam umgegangen, denn auch wenn die Bergleute Grubenholz und Sägespäne zugewiesen bekamen; es reichte nur knapp für den ganzen Winter aus. Was fehlte wurde zum Beispiel im Wald gesammelt, aber nur mit einem Leseschein. Darüber wachte der Flurwächter. Viele gruben Wurzelstöcke aus. Das „Steckgroom“ war eine äußerst mühselige Arbeit bei der oft die älteren Kinder mithelfen mussten. Aber die „Oarzgrowa“ waren harte Arbeit gewöhnt und wussten sich mit Spaltkeil und Schlegel zu helfen.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, der auch für Bergarbeiter besseren Verdienst brachte, wurde der Holzverbrauch durch Kohle verdrängt. Sie konnten über die Grube zunächst Braunkohle und Steinkohle günstiger beziehen, später kamen Braun- und Steinkohlebriketts hinzu. Dazu gab es moderne Kohleöfen.
Der Sägespäneofen hatte ausgedient. Dabei war diese Heizungsart nicht nur billig, sondern auch umweltfreundlich, weil sie Abfallmaterial aus Holz verbrannte, von dem durch die hohen Temperaturen und den Luftüberschuss nur mehr ein kleines Häufchen Asche übrig blieb.
In den Sechziger Jahren tauchten dann die ersten Ölöfen in den Wohnzimmern auf, die bei heute unvorstellbaren Ölpreisen, von unter 10 Pfennigen, sogar die Kachelöfen aus den Bürgerhäusern verdrängten.
Am schönsten aber war trotzdem der Herd, weil man mit ihm die Wärme des Feuers richtig erleben konnte,
©Helmut Heinl