Ist das Begraben des Geldbeutels ein bekannter Brauch? - KulturAS, wo Kultur und Bergbau aufeinandertreffen

2024/2025
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Sulzbach-Rosenberg/Feuerhof
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Helmut Heinl Autorenseite
"Leben in der Bergmannssiedlung"
Geldbeutelbestattung

Am 19. September 2013 hatten wir ein sehr seltsames Erlebnis. Gegen 20:30 Uhr, alles war schon finster, läutete es und 3 Polizisten standen vor der Haustüre. Bei drei Kindern ist man bei Polizeibesuchen am Abend natürlich zunächst erschrocken, aber sie sagten gleich, es sei nichts Dramatisches. Jemand habe gemeldet, dass im Bunker in dem kleinen Wäldchen, das ja wohl mir gehöre, ein Gegenstand liege, der wie ein kleiner Sarg aussehe.
Die Inspektion sei angerufen worden, dass im Bunker ein obskurer Gegenstand, ähnlich wie eine Urne liege. Wir sollten dies nachprüfen. Wir haben dann am nächsten Vormittag mit Taschenlampen in den Bunker geleuchtet und nach längerem Suchen festgestellt, dass dort tatsächlich eine schwarze Kiste ca. 30 x 15 Zentimeter lag. Ich bin dann hineingeklettert und wir haben die Kiste mit Handschuhen herausgehoben und festgestellt, dass es tatsächlich ein sargähnlicher Gegenstand war, mit einem Kreuz oben und den eingefrästen Buchstaben J und W auf der Unterseite. Die Kiste war handwerklich sehr sauber gearbeitet, fest verschraubt und bei Schütteln schien sich irgendeinen Gegenstand darin zu befinden. Wir dachten an allerlei okkulte Möglichkeiten oder an die Bestattung eines Haustieres.

Natürlich wollte ich die Kiste möglichst schnell loswerden und rief wieder die Polizei an, aber ich wurde abgewiesen. Ich müsse die Stadt einschalten, die feststellen müsse, ob es sich möglicherweise um eine Urne handele, die jemand „entsorgt“ habe. Daraufhin habe ich beim Friedhofsamt angerufen und den zuständigen Bearbeiter gefragt. Der hat mich dann an den Friedhofsschaffner verwiesen. Der kam dann noch am gleichen Tag. Damit stand nach dem Polizeiauto am Abend vorher, nun der Leichenwagen vor der Haustüre. Der städtische Mitarbeiter meinte, normalerweise seien Urnen in Europa fast immer rund, aber er könne sich an Urnen aus Afrika erinnern, die tatsächlich wie kleine Särge ausgesehen hätten. Also was war die Kiste?

Zu zweit haben wir dann den "Sarg" aufgeschraubt und was fanden wir darin? Einen alten, verwaschenen Geldbeutel mit einem 5-Cent-Stück! Nun hatte sich dieser ursprünglich sehr mysteriöse Vorfall in Wohlgefallen aufgelöst.
"Sarg" und Inhalt wurden fotografiert und dann in den Mülleimer befördert. Natürlich habe ich Volkskundler gefragt, ob das Begraben des Geldbeutels ein bekannter Brauch sei. Keiner hatte je davon gehört; bekannt sind nur das Begraben des Faschings, der Kirchweih, oder das Geldbeutelwaschen am Aschermittwoch, nicht aber die „Geldbeutelbestattung“ in einem kleinen Sarg.

Für mich war das Anlass, die aufgebrochene Mauer am Bunker möglichst schnell wieder zu schließen. Damit ist jetzt dann auch Schluss mit weiteren Ablagerungen und durch den verbliebenen Schlitz können hoffentlich nur noch Fledermäuse hinein und heraus. Welche Bedeutung der „Sarg“ wirklich hatte, wissen wir bis heute nicht.

Helmut Heinl
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