Gasthof „Sonne“
Eine Geschichte aus vergangenen Tagen
Erinnerungen von Walter Heldrich
Dies ist der zweite Teil meiner Wirtshausgeschichten. Nachdem mein Vater 1962 verstarb, musste meine Mutter die Schinhammer Wirtschaft aufgeben. Gemeinsam mit meinen beiden Geschwistern zogen wir in den Gasthof „Sonne“ am Kugelplatz in Sulzbach-Rosenberg. Der Gasthof wurde von Georg und Erika Heldrich geführt – er war der Bruder meines Vaters, sie die Schwester meiner Mutter.
Georg und Erika hatten das Gasthaus „Sonne“ bereits 1950 übernommen. Ihre Tochter Inge wuchs praktisch im Wirtshaus auf und war schon ab dem zweiten Lebensjahr mit der Gastronomie vertraut. Der Gasthof war ein geschäftiger Ort mit einer herzlichen Atmosphäre, die Gäste anzog. Vom Haupteingang am Kugelplatz konnte man die „Sonne“ betreten, später kam ein zweiter Zugang vom Bochviertel hinzu, um den Gästen den Weg zu erleichtern.
Das Gasthaus war bekannt für seine gutbürgerliche Küche. Schweinebraten, gemischter Braten, Schnitzel und das berühmte „Zigeunerschnitzel“ standen auf der Speisekarte – alles liebevoll zubereitet. Das Bier kam frisch aus dem Amberger Brauhaus und wurde über ein kleines Fenster, die sogenannte „Gassenschenke“, auch direkt an Passanten verkauft.
Ich selbst fühlte mich als Kind wie ein kleiner Wirt. Mit einer alten Kellnerjacke meines Vaters stolzierte ich durch die Gaststube, nahm Bestellungen auf, servierte den Gästen und zapfte hinter der Theke Bier. Die „Sonne“ war für mich ein Ort voller Leben und Abenteuer.
Ein Treffpunkt für alle
Sonntags war das Gasthaus besonders belebt. Pünktlich um 12 Uhr räumten die Schafkopfspieler ihre Plätze für die Mittagsgäste. Doch auch unter der Woche war die Wirtschaft gut besucht. Stammtische waren der Mittelpunkt des Geschehens, an denen sich die Bocherer versammelten, darunter der Kopp und der Kreiner, die jeweils ein Lagerhaus besaßen, sowie der Foto Müller, der Lösch Helmut und viele andere Geschäftsleute, Arbeiter und Handwerker. Man diskutierte leidenschaftlich über Politik und alltägliche Themen, begleitet von frisch gezapftem Bier und den typischen Geräuschen eines vollen Wirtshauses.
Ein Ort für Feiern und Vereine
Das geräumige Lokal war perfekt für Hochzeiten, Kommunionen, Konfirmationen und andere Familienfeste. Ein Fernseher lockte Fußballfans an, die sich versammelten, um Live-Spiele zu schauen. Georg Heldrich, ein leidenschaftlicher Fan des 1. FC Nürnberg, war bei Siegen überglücklich, bei Niederlagen hingegen etwas wortkarg.
Neben den Stammtischen fanden auch Vereine in der „Sonne“ ihr Zuhause. Der „Heimat- und Trachtenverein Stamm“ und der „Gesang- und Orchesterverein“ zogen bereits in den 1960er-Jahren ins Nebenzimmer ein.
Bochkirwa
Ein Höhepunkt im Jahr war die "Bochkirwa", eine der größten Kirchweihen im Stadtgebiet. Gemeinsam mit dem Bochbeck organisierte das Gasthaus „Sonne“ dieses Fest. Anfangs fand die Kirwa oben am Kugelplatz statt, später im Bochviertel, wo die ganze Brauhausgasse gesperrt und die Biergarnituren bis zum Meier-Schmie aufgestellt wurden. Die Musik auf dem Stegergloserberg war bis in die Stadt hinein zu hören. Da waren viele durstige Kehlen unterwegs, da wurden damals das Bier nur im Maßkrug ausgeschenkt, da konnte ich mit immer ein schönes Taschengeld dazu verdienen.
Dieter Radl erzählt noch heute von den unvergesslichen Kirwan mit vielen bekannten Charakteren wie dem "Dümmler-Vorstand" der Bochratz'n und "Zeichschmie" als Graf Gebhard, "Al Capone" beim Umtrunk an der Bochbeckquelle und viele andere leben in den Geschichten wieder auf.
Veränderungen und Abschied
1982 verließ ich die „Sonne“, um auf den „Feuerhof“ zu ziehen. Doch die Geschichte des Gasthauses ging weiter.
Im Jahr 1988 entstand die Idee, die Wirtschaft in Sulzbach-Rosenberg zu beleben. Was könnte dafür besser geeignet sein als die Gastronomie? So wurden die „Schlemmerwochen“ in der Gaststätte „Sonne“ ins Leben gerufen. 1989 fanden die ersten Schlemmerwochen unter dem Motto „Schwäbische Küche“ statt. "Die Schlemmerwochen in Sulzbach-Rosenberg sind ein echtes Aushängeschild und eine feste Institution in unserer Stadt geworden"
Inge Girbert führte die „Sonne“ bis 1992 weiter. Sie hat in den letzten Jahrzehnten die Gaststättenlandschaft im Sulzbach-Rosenberger Bergland maßgeblich geprägt: Sei es als Wirtin in der „Sonne“, in der „Villa Max“ oder im TV-Sportpark. Als Motor der Ortsgruppe Sulzbach-Rosenberg des Hotel- und Gaststättenverbands hat sie die Schlemmerwochen und die Fischwochen als kulinarische Anziehungspunkte unserer Region etabliert und damit zu einem nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor gemacht. Und zu guter Letzt sorgte sie durch ihre offene Art auch für ein hervorragendes Miteinander der Gastronomen in der Region.
Nach ihrem Weggang übernahm ein chinesischer Pächter das Gasthaus, doch es gelang nicht, den alten Glanz zurückzubringen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, neue Pächter zu finden, steht der Gasthof „Sonne“ heute leer.
Die Geschichten und Erinnerungen an die „Sonne“ leben jedoch weiter. Für mich bleibt sie ein Symbol für eine Zeit, in der das Wirtshaus das Herz des sozialen Lebens war, ein Ort, an dem Gemeinschaft und Geselligkeit gepflegt wurden. Egal, ob beim Schafkopf, beim Stammtisch oder bei einem großen Fest – die „Sonne“ strahlte und prägte das Leben in Sulzbach-Rosenberg.