Sulzbach-Rosenberg > Wirtshausgeschichten
Wirtshausgeschichten

Gaststätte „Schinhammer“ von 1953 - 1963
Sulzbach / Rosenberger Straße 30 / Ecke Basteizufahrt
Erinnerungen von Walter Heldrich


Wirtshäuser gehören zu Bayern wie das Amen in die Kirche
Seit Ende der 1960er Jahre werden die klassischen Wirtschaften im Freistaat Bayern immer weniger
1953 kaufte die Brauerei Landgraf die Gastwirtschaft „Schinhammer“ vom letzten der Schinhammerfamilie, Christof Schinhammer und verpachtete sie an Hans (der Kellner-Lehrling Hans Heldrich lernte im Betrieb „Böhms Herrenkeller“ in Nürnberg vom 1. April 1934 bis 31. März 1937 und unterzog sich am 23. März 1937 der Gehilfenprüfung mit dem Prädikat „Ziemlich gut“.) und Anneliese Heldrich. Sie hatten drei Kinder, Werner †2000, Renate und Walter (Autor).
Einen schriftlichen Pachtvertrag legte die Brauerei Landgraf als Verpächter erst am 11. Mai 1955 für die Zeit vom 01.10.1954 bis 30.09.1959 vor. Bei Nichtkündigung war eine Verlängerung des Vertrags um jeweils ein Jahr vorgesehen.
Der „Schinhammer“ war ein beliebtes gutbürgerliches Wirtshaus, in dem man gut essen und trinken konnte. Damals kostete der Schweinebraten noch 1,70 DM mit Knödel und Salat - heute bekommt man nicht einmal einen Salat dafür. Auf der Speisekarte konnte man auch schon mal Spezialitäten finden, wie z.B. Froschschenkel usw. Es gab auch einen Straßenverkauf, da kam die Laufkundschaft aus der Umgebung mit Kannen und Masskrügen und man konnte sich das Bier außerhalb des Gastraumes abholen. Das war eine Türe mit einem Fenster. Da wurde geklingelt und das Fenster wurde hoch geschoben.

Am Stammtisch vorbeizukommen lohnte sich immer. Hier trafen sich alle Gesellschaftsschichten, es wurde natürlich politisiert und beim Bier wurden auch schon mal Aufträge ausgemauschelt. Man musste die Gäste teilweise am späten Sonntagmorgen nach durchzechter Nacht rauswerfen. Die Stube war oft so verqualmt, dass man die Luft schneiden konnte, denn in den 60er Jahren wurde noch sehr viel geraucht. Das HB-Männchen der gleichnamigen Zigarettenmarke erreichte sogar Kultstatus.

Selbst besitze ich auch eine Musikbox „ROWE AMI Tropicana“ Baujahr 1963/64, 200 Titelwahlmöglichkeiten auf 100 Vinyl-Singles, Einwurf auch hier wie damals 1 DM = 6 Musikstücke
Auf der gegenüberliegenden Seite vom „Schinhammer“ war der „Gasthof Post“, da gab es die ersten Pommes in Sulzbach. Von 1967 bis 1976 befand sich dort die Grinzinger Brathendlstation, dahinter das Capitol-Kino. Das Schulhaus und die „Bastei“ mit dem damals wohl schönsten Biergarten waren auch gleich um die Ecke. Gegenüber an der Allee befand sich auch das Kriegerdenkmal (wurde 1967 abgerissen), der Stadtturm stand zu dieser Zeit noch nicht.


Heute gibt es in Deutschland solche Geschäfte fast nicht mehr. Sie wurden durch Supermärkte verdrängt.



Danach zogen wir zu Georg und Erika Heldrich (Schwester meiner Mutter und Bruder meines Vaters) in den Boch ins Gasthaus „Zur Sonne“. Ab jetzt war ich ein „Bochratz“. 1978 wechselte ich dann den Stadtteil und zog in den hohen Norden von Sulzbach auf den Feuerhof. Die "Sonne" führte meine Cousine Inge noch bis 1992. Nach mehreren vergeblichen Anläufen neuer Pächter, steht das Gasthaus zwischenzeitlich auch leer.
1968 verschwindet das alte „Schinhammerhaus“, das zum vertrauten Stadtbild gehörte. An dieser Stelle errichtete das Bekleidungshaus Heim einen Geschäftsneubau, danach übernahm der Drogeriemarkt Müller das Gebäude bis 2022.

Die Heldrichs stammen aus Forsthof und von 5 Brüdern führten 4 ein Wirtshaus: Hans die „Schinhammer-Wirtschaft“, Georg den Gasthof „Zur Sonne“, Michael die Wirtschaft in Forsthof und Andreas war in Neukirchen Wirt. Dann gab´s auch noch Wirtshäuser mit dem Namen Heldrich in Rosenberg und Edelsfeld, dies ist aber eine andere Linie.

Sitzend von links nach rechts: Pauline Heldrich * 1937, dahinter mit Auge und Nase der „Sonnenwirt“ Georg, seine Frau Erika * 1925,
Winkler ein Zigarettenvertreter, Andreas Heldrich, Michael Heldrich, Hans Heldrich, Brigitte Heldrich, Helmut Heldrich * 1943,
Stehend rechts: Rosa Heldrich, geborene Kraus (Andreas` Ehefrau), stehend links: Else Heldrich (Heiner´s Ehefrau)
Foto entstand bei der Hochzeit von Pauline in Forsthof
Walter Heldrich, August 2022

Chronik
Die Gastwirtschaft Hs. Nr. 342 in der Rosenberger Straße/Ecke Basteizufahrt, ehemaliges Zagel´sches Haus erwarb Peter Aman.
- 1870 Leonhard Schinhammer wurde neuer Besitzer des Gasthofs. Leonhard Schinhammer war Gesellschafter bei der Vorderen Brauhausgesellschaft und stellte sein eigenes Bier her. So verbraute er 1882/83 – 108 hl Malz und 1895/96 – 142 hl Malz.
- 1898 starb Leonhard Schinhammer, nach ihm führte seine Ehefrau Kunigunde die Gastwirtschaft weiter. Kunigunde Schinhammer übte auch weiterhin das Braurecht aus.
- 1927 so braute sie in diesem Jahr insgesamt neunmal im Gesellschaftsbrauhaus
- 1928 erscheinen Johann Leonhard und Margaretha Schinhammer als Brauhausgesellschafter im Grundbuch. In einem Brauereiadressbuch von 1938 inserierten die Schinhammers sogar als Brauerei, wenngleich sie nie ein eigenes Brauhaus hatten.
- 1953 wurde im August der Gasthof verkauft, vom letzten der Schinhammerfamilie, Christof Schinhammer. Das Anwesen Schinhammer, Rosenberger Straße 30, ging an die Brauerei Landgraf in Weiden, Inhaber Wärtel.
- 1953 bis 1963 hatte die Brauerei Landgraf den Gasthof an Hans Heldrich verpachtet.
- 1963 verkaufte die Brauerei Landgraf den Gasthof an das Bekleidungsgeschäft Alfons Heim in Amberg. Und wieder verschwindet in der Sulzbacher Innenstadt, ein Haus, das zum vertrauten Stadtbild gehörte.
- 1968 wurde der ehemalige Gasthof abgebrochen
- 1969 ein Neubau des Bekleidungshauses Heim an dieser Stelle errichtet und im Dezember eröffnet
- ? zog Drogeriemarkt Müller ein, der bis 2022 bestand
alte Bilder und Chronik von Erwin Kraus