Ehemaliger Maxhütten-Arbeitsdirektor Manfred Leiss
"Bergbau, Maxhütte, Sozialgeschichte"
Bergbau/Erzbergbau im Blick der Politik
Die Staatsbergwerke in Bayern hatten im 19. Jahrhundert einen hohen politischen Stellenwert und niemand fand es anrüchig, dass der Staat Wirtschaftsunternehmen besaß. Als die Maxhütte 1987 auf der Kippe stand, war die Forderung nach Staatsbeteiligung dagegen mit der Ordnungspolitik unvereinbar. So lohnt es sich, die Berichte und dazu debattierten Meinungen des Finanzausschusses der Bayerischen Abgeordneten Kammer von 1881 und 1882 zu lesen. In Beilage Nr. 41(02.12.1881) wird unter Bergwerke einleitend festgestellt: „Seit mehreren Jahren haben sich die Betriebs- und Absatzverhältnisse unserer Staatsbergwerke ungünstiger gestaltet. Der Nothstand, unter welchem die gesamte Industrie seit Jahren leidet, dauerte auch im Jahre 1879 fort und wirkte namentlich auf den Absatz der Steinkohlen nachtheilig, indem die Hauptabnehmer derselben, die Eisenbahnen, die Hüttenwerke und Fabriken, aus obiger Ursache den Betrieb einschränkten. Auch die Verkaufspreise gingen zurück, indem, wie dies schon früher der Fall, die Konkurrenz der Bergwerke an der Ruhr, welche selbst nach Lothringen verkaufen, die Saarbrücker Bergdirektion und dadurch die pfälzische Grubenverwaltung, resp. die General-Bergwerks- und Salinenadministration zwang, ihre Preise herabzusetzen. Ähnliche Verhältnisse bestehen zwischen der Grube Hohenpeißenberg und Miesbach- Penzberg, bzw. den böhmischen Kohlenwerken.“
Es wird dann vermerkt, dass nur St. Ingbert und Mittelbexbach eine „Reineinnahme“ lieferten, während die anderen Werke „Zubußen“ (Verluste) aufzuweisen haben. Beklagt werden auch die geringen Absätze an Eisenstein z.B. von Amberg an das Berg- und Hüttenamt Bodenwöhr.
Das Hüttenwerk Bergen förderte nur wenig Eisenstein für den eigenen Bedarf und die Hütte Bodemais verarbeitete die gewonnenen Erze selbst. Mit den ausgewiesenen Verkaufspreisen bei Steinkohle von 1, 19 Mark per 100 kg im Jahre 1875 und 0,83 Mark in 1879 drückt sich der Preisverfall aus.
Es werden die Einnahmen-Ausgabenrechnungen folgender Bergwerke vorgelegt: St.Ingbert, Steinkohlengrube Mittelbexbach, Steinkohlengrube Odenbach- Roth, Steinkohlengrube Hohenpeißenberg, Eisensteinbergbau Amberg. Die Ergebnisdarstellung der Hüttenwerke erfasst folgende Werke: Berg- und Hüttenamt Bergen, Berg- und Hüttenamt Bodenwöhr, Berg- und Hüttenamt Sonthofen, Hüttenamt Obereichstätt, Hüttenamt Weiherhammer, Vormalige Hüttenverwaltung Eisenärzt, Hüttenverwaltung Hagenacker, Hüttenverwaltung Bodenmais.
Die Nennung der vorerwähnten Orte im Ortslexikon des Deutschen Reiches von 1894 läßt die Bedeutung der Eisengewinnung in Bayern erkennen:
Bergen bei Traunstein, 191 Einwohner, Maximilianshütte mit einem Hochofen, Eisengießerei, Stabeisen- und Wagenachsenfabrik.
Bodenwöhr, 633 Einwohner, Berg-und Hüttenamt, Eisenhütte, Eisenerzgruben. Bodenwöhr wird erstmals 1123 urkundlich in den historischen Zeugnissen des Klosters Ensdorf(am Jakobsweg) erwähnt; und um 1464 soll in Bodenwöhr ein Eisenhammer errichtet worden sein; 1693 entsteht der erste Schmelzofen und das Hüttenwerk Bodenwöhr gewinnt in der weiteren Entwicklung an Bedeutung; die stahlferne Produktion endet 1971.Sonthofen, 1819 Einwohner, Hüttenwerk, Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen, Eisenerzgruben.
Obereichstätt, 377 Einwohner, Hüttenamt und Eisengießerei.
Weiherhammer, 42 Einwohner, Hüttenamt, Eisenwerk.
Eisenärzt b.Traunstein, 210 Einwohner, Hochofen mit Hammerwerk.
Bodenmais, 1291 Einwohner, Berg-und Hüttenamt, Schwefel- und Magnetkiesgruben, Hüttenwerk für Eisenvitriol und Polierrot (Potee für alle Glasschleifereien in Deutschland).
Spitzenergebnisse der bayerischen Salzwerke und Salinen
Die Salzwerke und Salinen dagegen- insbesondere durch die Erträge der Saline Traunstein- glänzten mit positiven Ergebnissen. Erzeugt wurde damals Steinsalz, Siedesalz und im Weiteren reines Kochsalz, Viehsalz, Fabrik- und Gewerbesalz sowie Dungsalz.Salzerzeugende Werke waren: Salzbergbau Berchtesgaden, Saline Berchtesgaden, Saline Reichenhall, Saline Traunstein, Saline Rosenheim. 1879 waren in den Bergwerken 1.560 Arbeiter beschäftigt, 760 in den Hüttenwerken und 2.866 in den Salinen.
In der offiziellen „Statistik der Knappschaftsvereine im bayerischen Staate für das Jahr 1897“, veröffentlicht vom Königlichen Oberbergamt München im Mai 1898 werden für die Bergamtsbezirke München, Bayreuth und Zweibrücken in 1897 insgesamt 7.675 Beschäftigte in den Bergwerken und Aufbereitungsanlagen ausgewiesen. Allein die 4 Werke des Steinkohlenbergbaus um Miesbach beschäftigten um diese Zeit 2.424 und das Werk Peißenberg 693 Kumpel. Im wichtigsten bayerischen Steinkohlenbergwerk in Peißenberg wurden bis zu seiner Schließung 1971 32 Millionen Tonnen Pechkohle gefördert und noch 1950 hatten 3.500 Bergleute dort einen Arbeitsplatz. In einer für Kohleförderung extremen Tiefe von 1250 m wurde bei 40 Grad Hitze Kohle abgebaut. Für den 1898 erfassten Braunkohlenbergbau Burglengenfeld wurden 303 Kumpel gezählt und in den 7 Werken des Erzbergbaus in Amberg, Vilseck und Sulzbach arbeiteten 603 Bergleute. In Zusammenhang mit der Einnahmen-Ausgabenrechnung sind die beachtlichen Leistungen der Bergknappenvereine für ihre Mitglieder und ihr Millionenvermögen hervorzuheben. Für die damalige Zeit können die Einrichtungen und Leistungen für Krankenpflege mit 52 Knappschaftsärzten und 8 Spitälern als herausgehoben bezeichnet werden, ferner die Unterstützungsleistungen für Invaliden, Witwen und Waisen.
Angaben über die Löhne der Arbeiter fehlen in den Statistiken, dagegen gibt es Kennzahlen über die Ausgaben für Pensionen und Sustentationen (Versorgungsbezüge) der Staatsdiener und Staatsbediensteten sowie Witwen und Waisen. Für Staatsdiener und Staatsbedienstete sind im Berichtsjahr 1881 ausgewiesen: 42.184,51 Mark; für Witwen und Waisen der Staatsdiener und Bediensteten bei der Bergwerks-, Hütten und Salinenverwaltung 34.650,59 Mark.
Die Erträgnisaufstellung (wirklicher Ertrag abzüglich der Zubuße) zeigt folgendes Bild:
Bergwerke 73.469,22 M (größter Verlustbringer Hohenpeißenberg)
Hüttenwerke 77.375,-- M (größter Verlustbringer Bergen)Salinen 792.091,19 M (Verluste nur Berchtesgaden)
Eine Debatte der Bayerischen Kammer der Abgeordneten
Im Januar 1882 trat dann die die Bayerische Kammer der Abgeordneten zusammen, um über den Bericht des „Ausschusses für Gegenstände der Finanzen und Staatsschuld zum Etat der Bergwerks-, Hütten- und Salinengefälle für 1882/83“ in einer öffentliche Sitzung Beschluss zu fassen.Der stenografische Bericht der 34.Sitzung spiegelt wider, mit welcher Leidenschaft und Hartnäckigkeit über die anstehende Thematik diskutiert wurde.
Die Abgeordneten setzten sich mit Detailfragen der Eisentechnologie auseinander, die später manchem Aufsichtsrat zur Ehre gereicht hätten, jedenfalls ist mir beim Lesen von Protokollen über Debatten des bayerischen Landtags über die Maxhütte in der Nachkriegszeit vergleichbares nicht begegnet. Im Brennpunkt stand die Frage, ob in Amberg für die dort verfügbaren Erze ein Hochofen gebaut werden soll. Dabei spielte die Maxhütte und ihre Erzpolitik eine große Rolle.
Der Berichterstatter: „In Amberg befindet sich ein Erzbergwerk, das Eisenerz enthält und seit Jahrhunderten in Betrieb ist. Der Betrieb dieses Bergwerks war früher gesichert, weil die Oberpfalz eine Reihe von Eisen- und Hüttenwerken hatte, welche das Erz abnahmen. Die Eisenkrisis hat jedoch diese Hochöfen und Hüttenwerke alle verschlungen, und zur Zeit ist nur noch ein einziges Werk da, welches das Erz aus Amberg abnehmen könnte, es ist dies die Aktiengesellschaft der Maximilanshütte. Seit 12 Jahren haben sich wiederholt Hindernisse ergeben, sodass man eine Abnahme für die Erze in Amberg überhaupt nicht finden konnte, und seit 12 Jahren ist deshalb auch die Frage ventiliert worden, ob der Betrieb des Bergwerks in Amberg nicht auf eine mehr sichere Grundlage gestellt werden könne, als auf die zufällige und gutwillige Abnahme des Eisenerzes seitens der Maximilianshütte.“
Und der Berichterstatter machte sich zum Anwalt der Amberger Gruben: „Abgesehen von der Reichhaltigkeit der Amberger Gruben steht auch außer Zweifel, dass das Amberger Erz von vorzüglicher Qualität ist. Es steht fest, dass die Amberger Eisensteine einen Gehalt von wenigstens
50 Prozent haben, und dass für Gießerei-Roheisen sogar ein Gehalt von beiläufig 55 % erreicht wird. Es steht ferner durch die Versuche fest, welche in Wittkowitz in Mähren angestellt worden sind, dass aus diesen Erzen sowohl ein ganz gutes Gießerei-Roheisen als auch ein vortrefflicher Thomasstahl und ein ebenso treffliches Kesselblech erzeugt werden könne. Das Amberger Erz ist also nicht nur in großer Fülle vorhanden, sondern auch in ganz vorzüglicher Weise verwertbar.“
Mit dem Hinweis auf Äußerungen der Maxhütte, dass der Schwerpunkt ihres Betriebes nicht Bayern sein könne, sondern diesen nach Thüringen verlegen müsse, tischte der Berichterstatter ein weiteres Argument für eine eigene Eisenbasis in Amberg auf.
Wie sehr die Politik sich damals zum staatlichen Wirtschaften bekannt hat, zeigt diese Aussage an die Abgeordneten: „ Sie mögen von den bayerischen ärarialischen Hüttenwerken denken und urteilen, was Sie wollen, das eine steht fest, dass diese Hüttenwerke doch schon einmal eine Einahmsquelle für die bayerische Staatskasse gebildet haben.“
Abschließend die beschwörende Feststellung: 1. „ dem Amberger Bergbau kann nicht anders aufgeholfen werden, als durch die Hochofenanlage; 2. dass den ärarialischen Hüttenwerken nicht anders aufzuhelfen ist, als durch die Hochofenanlage; 3. dass die Hochofenanlage rentabel sein werde, weil Absatzgelegenheit da ist, gutes Eisen erzeugt werden kann, und die Gestehungskosten dieses Eisens nicht höher kommen werden, als erforderlich ist, um es auf dem ganzen süddeutschen Markte mit jedem anderen Eisen konkurrenzfähig zu machen.“
Es gab aber auch Äußerungen, die von der Notwendigkeit eines Hochofens in Amberg weniger überzeugt waren, weil es der Maxhütte am Ende gleichgültig sei und sie sich mit Erzbezug in eine andere Richtung orientiere. Deshalb auch der Gedanke sich mit der Maxhütte als Abnehmer zu arrangieren, trotz der von ihr aufgestellten Behauptung, sie könne Erz selber billiger fördern.
Dazu wurden dann auch Vergleiche über die Roheisenkosten angestellt: Schottische Coltneß-
Eisen 98,70 Mark/to, englische Middlesbrough-Eisen 79,25 M/t, Lothringer Eisen 71,32 M/t, Gießerei- Roheisen von Main-Weserhütte 91,10 M/t.
Da dies alles für die Entscheidung einen Hochofen in Amberg zu bauen, nicht ausreichend erschien, verlangte ein Abgeordneter folgendes:
1.) Feststellung des Erzgehaltes durch chemische Analysen; 2.) Genau begründete Darlegung seitens der Bergbehörden über Leistungsfähigkeit und Betriebsverhältnisse des Amberger Erzbergwerkes;
3.) ein technisches Gutachten von einer aus unparteiischen Fachmännern der Metallurgie zusammengesetzten Kommission über die technische Anlage des Hochofens überhaupt; 4.) Vorlage von Plänen und Kostenvoranschlägen.
Der gleiche Abgeordnete wartete dann mit einer betriebswirtschaftlichen Rechnung auf, wonach die Erzeugung einer Tonne Eisen aus den in Amberg geförderten Erzen 66,27 Mark kosten werde. Diese Zahlen wurden von anderen angezweifelt.
Dass man für den Hochofenbetrieb private Beteiligung finden würde, wurde rundweg bestritten, weil dieser wegen des Risikos sehr schnell wieder beim Staat landen würde. In namentlicher Abstimmung entschieden sich 84 Abgeordnete für den Bau des Hochofens in Amberg.
© Manfred Leiss